Schiedsvereinbarung und Beschlussanfechtung im Personengesellschaftsrecht

Schiedsvereinbarung und Beschlussanfechtung im Personengesellschaftsrecht

Der Streit im Swarovski-Konzern geht weiter: Eine beschlossene Strukturreform, die den Beitritt einer neuen Kommanditistin vorsah und das Haftkapital erhöhte, wurde von einem Schiedsgericht für nichtig erklärt. Dagegen ging die Gesellschaft vor und bekam Recht: Der OGH hob das Schiedsurteil auf.

Präludium

Der Gesellschafterstreit innerhalb des Swarovski-Konzerns zwischen verfeindeten Familienstämmen geht weiter (über einen anderen Konflikt haben wir bereits berichtet – den Blog-Beitrag hierzu finden Sie hier). Ein Familienstamm forderte eine Strukturreform im Konzern. Der „D. Swarovski KG“, eine der tragenden Gesellschaften im Konzern, solle ein neuer Kommanditist beitreten und das Haftkapital solle um € 350 Mio erhöht werden. Diese Änderungen wurden 2020 in einer Gesellschafterversammlung mehrheitlich beschlossen. Nicht alle Familienstämme waren mit dieser Reform einverstanden. Eine Gruppe von 19 Gesellschaftern ging gegen die Beschlüsse vor.

Ein Schiedsgericht entschied über die Beschlussanfechtung und gab ihr statt: Die Strukturreform scheiterte. „D. Swarovski KG“ ging wegen dieses Schiedsurteil zum OGH und begehrte dessen Aufhebung – doch wie konnte es so weit kommen?

Das kleine 1 x 1 der Beschlussanfechtung

Im Recht der GmbH richtet sich die Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses gegen die Gesellschaft (§ 42 Abs 1 GmbHG). Jeder Gesellschafter kann einem Gerichtsverfahren als Nebenintervenient beitreten (§ 42 Abs 5 GmbHG: Ein Nebenintervenient ist eine Person, die einem Gerichtsverfahren auf Kläger- oder Beklagtenseite beitritt, weil sie am Obsiegen der Partei ein rechtliches Interesse hat). Das GmbH-Gesetz sieht vor, dass ein Urteil für und gegen sämtliche GmbH-Gesellschafter gilt, unabhängig ob man sich am Gerichtsverfahren beteiligt hat, oder nicht („Rechtskrafterstreckung“; § 42 Abs 6 GmbHG).

„D. Swarovski KG“ gehört als Kommanditgesellschaft zu den Personengesellschaften. Im Personengesellschaftsrecht bestehen – im Gegensatz zum GmbH-Recht – grundsätzlich keine gesetzlichen Regelungen, wie gegen Gesellschafterbeschlüsse vorgegangen werden kann. Eine analoge Anwendung der Regelungen aus dem GmbH-Recht auf Personengesellschaften wird vom OGH ausdrücklich abgelehnt (6 Ob 258/08x).

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH kann die Nichtigkeit von Beschlüssen jedoch mit Feststellungsklage geltend gemacht werden (RS0038823). Diese Klage ist bei ordentlichen Gerichten einzubringen. Dabei muss beachtet werden, dass die Feststellungsklage alle Gesellschafter erfassen muss: entweder auf Kläger- oder auf Beklagtenseite. Grund dafür ist, dass Urteile in Österreich grundsätzlich nur gegenüber der klagenden und beklagten Partei Rechtskraft (also Wirkung) entfalten. Würde also eine Klage auf Aufhebung eines Beschlusses zugelassen werden, bei der nicht alle Gesellschafter auf Kläger- oder Beklagtenseite stehen, so würde das Urteil – also beispielsweise die Aufhebung der Beschlüsse – nicht für alle Gesellschafter gelten und es könnte zu inhaltlich voneinander abweichenden Rechtslagen kommen, was die Friedensfunktion des Feststellungsurteils gefährdet (fehlende Rechtskrafterstreckung).

GmbH-Recht in der Personengesellschaft – geht das?

Im Gesellschaftsvertrag der „D. Swarovski KG“ wurde vereinbart, dass für die Anfechtung von Beschlüssen die Regelungen aus dem GmbH-Recht gelten sollten (§§ 40 bis 44 GmbHG) – also Klage gegen die Gesellschaft statt gegen alle Gesellschafter bzw. von allen Gesellschafter. Über die Zulässigkeit derartiger Regelungen im Gesellschaftsvertrag hat der OGH noch nicht abgesprochen.

Der Deutsche Bundesgerichtshof (BGH) stellte dagegen bereits klar, dass solche Regelungen zulässig sind (BGH I ZB 13/21; BGH II ZR 242/04; BGH II ZR 83/09). Das Urteil entfaltet jedoch trotzdem keine Bindung im Sinne einer Rechtskrafterstreckung gegenüber nicht am Gerichtsverfahren beteiligten Personen. Die Lösung dieser Problematik sieht der BGH darin, dass es durch das Urteil zu einer schuldrechtlichen Verpflichtung kommt, sich an das gegen die Gesellschaft ergangene Urteil zu halten. Sollte solch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag aufgenommen sein und wird trotz dessen nicht die Gesellschaft geklagt, sondern die Mitgesellschafter, fehlt es diesen an der Passivlegitimation (= Klagbarkeit).

Auch die österreichische Lehre steht der Möglichkeit positiv gegenüber, das kapitalgesellschaftsrechtliche Klagesystem durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag für Personengesellschaften zugänglich zu machen (wenn auch zum Teil mit verschiedenen Lösungen für das Problem der Rechtskrafterstreckung). Andere Stimmen in der Literatur lehnen diese Möglichkeit ab.

Der OGH musste im konkreten Swarovski-Fall die Frage, ob die Passivlegitimation mit Regelung im Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft zugewiesen werden kann, (leider) nicht abschließend klären:

Schiedsvereinbarung – cui bono?

Insbesondere bei großen, umsatzstarken Gesellschaften wird zum Teil vereinbart, dass nicht ein ordentliches Gericht über Rechtsstreitigkeiten entscheiden soll, sondern ein Schiedsgericht. Die Vorteile eines Schiedsverfahrens gegenüber einem Verfahren bei einem ordentlichen Gericht liegen insbesondere

  • in der Geheimhaltung: Schiedsverfahren sind im Gegensatz zu Verfahren vor ordentlichen Gerichten nicht öffentlich;
  • dass die Schiedsrichter in der Regel von den Parteien bestimmt werden, wodurch auch Experten als Richter entscheiden können, was insbesondere bei komplizierten, technischen Verfahren von Vorteil ist;
  • in der Geschwindigkeit des Verfahrens: Schiedsverfahren sind zum Teil erheblich schneller, da in der Regel kein Rechtsmittel zulässig ist (bis auf das Aufhebungsverfahren beim OGH – wie in diesem Fall);
  • in der Durchsetzbarkeit: Schiedssprüche sind aufgrund von internationalen Übereinkommen (fast) weltweit durchsetzbar.

Auch der Gesellschaftsvertrag der „D. Swarovski KG“ sah die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes für alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern und zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter vor. Sind von einer solchen Klausel nun auch Anfechtungen von Beschlüssen umfasst?

Gegenstand eines Schiedsverfahrens können grundsätzlich nur sogenannte objektiv schiedsfähige Ansprüche sein. Darunter fallen seit dem Schiedsrechtsänderungsgesetz 2006 (SchiedsRÄG 2006) einerseits vermögensrechtliche Ansprüche, über die ordentliche Gerichte zu entscheiden haben, und andererseits nicht-vermögensrechtliche Ansprüche, über die die Parteien einen Vergleich schließen könnten (§ 582 Abs 1 ZPO).

Die Schiedsvereinbarung der „D. Swarovski KG“ wurde jedoch vor dem Inkrafttreten des SchiedsRÄG 2006 – nämlich im Jahre 1977 geschlossen. Weil verhindert werden sollte, dass so alte Vereinbarungen einem geänderten und unvorhersehbaren Regime unterworfen sind, hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die objektive Schiedsfähigkeit (sowie alle weiteren Formvorschriften) für vor dem Inkrafttreten des SchiedsRÄG 2006 geschlossene Schiedsvereinbarungen weiterhin nach dem alten Regime zu prüfen sind (§ 577 ZPO alte Fassung). Nach der alten Regelung konnten Schiedsvereinbarungen nur über den Gegenstand eines Rechtsstreites abgeschlossen werden, über den die Parteien einen Vergleich schließen konnten, also zu disponieren fähig sind.

Vor dem SchiedsRÄG 2006 wurde die Vergleichsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten nach §§ 41 ff GmbHG bejaht. Das bedeutet, dass diese Streitigkeiten objektiv schiedsfähig sind und die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes für Nichtigkeitsklagen vereinbart werden konnte. Daran hat sich nichts geändert – diese Rechtslage gilt unverändert auch nach dem SchiedsRÄG 2006.

Wird nun eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag getroffen, wonach ein Schiedsgericht für die Geltendmachung von Beschlussanfechtungen zuständig sein soll, ergänzt der OGH die Voraussetzungen für die objektive Schiedsfähigkeit: Der Gesetzgeber knüpfte in den Materialien zum SchiedsRÄG 2006 die objektive Schiedsfähigkeit an die Bindung aller Gesellschafter an den Schiedsspruch. Werden nun alle Gesellschafter durch den Schiedsspruch gebunden, ist es notwendig, dass ihnen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte eingeräumt werden, da Mitgesellschafter sonst benachteiligt wären, ein Rechtsschutz fehle und das Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) in Gefahr wäre. Dafür hat der OGH folgende Mindestanforderungen gestellt:

  • Die Gesellschafter müssen bereits im Stadium der Bildung des Schiedsgerichtes eingebunden werden, um so an der Auswahl der Schiedsrichter und an der Konstituierung des Schiedsgerichtes teilnehmen zu können.
  • Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte müssen bereits ex ante in der Schiedsvereinbarung verankert sein. Es genügt beispielsweise nicht, wenn ein dem Verfahren beitretender Gesellschafter einen Schiedsrichter ablehnen könnte, oder wenn vereinbart wird, dass sich auf eine Neukonstituierung geeinigt wird, wenn der beitretende Gesellschafter das Schiedsgericht nicht akzeptiert.

Voraussetzung für eine Wirkungserstreckung ist also, dass Mitgesellschaftern Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte bereits in der Schiedsvereinbarung eingeräumt werden. Die Wirkungserstreckung ist eine der Voraussetzungen für die objektive Schiedsfähigkeit von gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten, weswegen es an dieser fehlt, wenn diese Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die vorliegende Schiedsvereinbarung im Gesellschaftsvertrag von „D. Swarovski KG“ erfüllte die Mindestvoraussetzungen nicht. Im Ergebnis fehlte es daher an der objektiven Schiedsfähigkeit.

Für das Aufhebungsverfahren bedeutet dies, dass das Fehlen der objektiven Schiedsfähigkeit amtswegig wahrzunehmen (§ 611 Abs 3 ZPO) und der ergangene Schiedsspruch aufzuheben ist (§ 611 Abs 2 Z 7 ZPO) – was der OGH auch getan hat.

Erkenntnisse

Der OGH mag zwar ausdrücklich offengelassen haben, ob das kapitalgesellschaftsrechtliche Klagesystem durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag für Personengesellschaften zugänglich gemacht werden darf, aber er scheint damit zu sympathisieren und vieles spricht dafür.

Die wichtigsten Erkenntnisse für die Praxis zusammengefasst:

  • Gesellschaftsvertragliche Streitigkeiten sind grundsätzlich objektiv schiedsfähig, sofern der Schiedsspruch gegenüber allen Gesellschaftern wirkt (aufgepasst bei Schiedsvereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten des SchiedsRÄG 2006 getroffen wurden!).
  • Voraussetzung für diese Wirkung ist ein Mindestmaß an Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten – die insbesondere die Auswahl der Schiedsrichter umfasst.
  • Diese Rechte müssen bereits in der Schiedsvereinbarung eingeräumt werden.
  • Fehlt es an Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten, so mangelt es an der objektiven Schiedsfähigkeit und ein Schiedsspruch ist vom OGH aufzuheben – sofern ein Aufhebungsverfahren angestrengt wird.

Ob der Streit im Swarovski-Konzern nun beigelegt ist, wird sich zeigen. Unser Versprechen aus dem ersten Blog-Beitrag, dass der Streit weiterhin Zündstoff und weitere juristische Neuheiten sowie Themen zutage fördern wird, hat sich jedenfalls bewahrheitet.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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