Kein Wettbewerbsverbot des Alleingesellschafter-Geschäftsführers / Ausnützen einer Geschäftschance als Einlagenrückgewähr?

Kein Wettbewerbsverbot des Alleingesellschafter-Geschäftsführers / Ausnützen einer Geschäftschance als Einlagenrückgewähr?

Der geschäftsführende Alleingesellschafter unterliegt keinem Wettbewerbsverbot. Das Überlassen von Geschäftschancen unterliegt dann dem Verbot der Einlagenrückgewähr, wenn sich die Erwerbschancen soweit verdichtet haben, dass ihr ein Marktwert zukommt, also ein Dritter für die Übertragung der „Geschäftschance“ ein Entgelt zahlen würde.

Sachverhalt

Der Erstbeklagte gründete die Klägerin (eine GmbH), dessen Unternehmensgegenstand der Verkauf, die Vermietung, die Verpachtung, die Sanierung und der Ankauf von Liegenschaften samt allen damit verbundenen Tätigkeiten, das Bauträgergewerbe sowie die Beteiligung oder der Erwerb von Gesellschaften in gleichen oder ähnlichen Branchen ist. Er war auch alleiniger Geschäftsführer. Der Erstbeklagte hielt 50 Prozent der Geschäftsanteile treuhändig für S.P (Treugeber). Mit Gründung der Klägerin vereinbarte der Erstbeklagte mit dem Treugeber, dass alle künftigen Projekte über die Klägerin oder deren Tochtergesellschaften oder andere Gesellschaften abgewickelt werden, an welchen der Erstbeklagte und der Treugeber als Gesellschafter beteiligt sind. Bis zum klagsgegenständlichen Geschäft wurden in der Folge neue Immobilienprojekte ausschließlich durch Zusammenwirken von Erstbeklagtem und Treugeber durchgeführt.

Der Erstbeklagte ist außerdem Alleingesellschafter-Geschäftsführer der zweitbeklagten GmbH, welche denselben Unternehmensgegenstand hat wie die klagende GmbH.

Der Erstbeklagte erfuhr am 19.10.2019 durch einen Makler von der zum Verkauf stehenden Liegenschaft. Am 23. 10. 2019 erhielt ein Mitarbeiter der Klägerin von einem anderen Maklerunternehmen die Information über den möglichen Ankauf der Liegenschaft. Der Treugeber wusste von dieser Geschäftschance nichts und wurde darüber auch nicht informiert. In der Folge führten Mitarbeiter der Klägerin im Hinblick auf einen allfälligen Erwerb der Liegenschaft eine Due Dilligence-Prüfung durch.

Am 26.11.2019 hatten der Erstbeklagte für die Zweitbeklagte und der Verkäufer der Liegenschaft ein finales Kaufanbot unterzeichnet. Ab 2.12.2019 war der (ehemalige) Treugeber selbst (durch Annahme eines Abtretungsanbots des Erstbeklagten) im Umfang von 50 % der Geschäftsanteile Gesellschafter der Klägerin. Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 10.12.2019 kaufte die Zweitbeklagte, vertreten durch den Erstbeklagten, die Liegenschaft um 2,5 Mio EUR.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten, gestützt auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot des § 24 GmbHG, gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 82 GmbHG sowie gegen § 1 UWG, die lastenfreie Übertragung und Übereignung der Liegenschaft Zug um Zug gegen Zahlung des von der Zweitbeklagten bezahlten Kaufpreises von 2,5 Mio EUR, in eventu Schadenersatz in Höhe von 500.000 EUR. Zur Sicherung ihres Übereignungsanspruchs beantragte sie, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung gemäß § 381 Abs 1 Z 1 iVm § 382 Abs 1 Z 6 EO die Veräußerung und Belastung der Liegenschaft zu verbieten und das Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch anzumerken.

Sie brachte vor, der Erstbeklagte habe den Mitgesellschafter und Treugeber bewusst nicht über die Geschäftschance der Klägerin informiert und die Liegenschaft hinter dessen Rücken und ohne dessen Wissen durch die in seinem Alleineigentum stehende Zweitbeklagte erworben und damit das ihn als Geschäftsführer gemäß § 24 GmbHG treffende Wettbewerbsverbot verletzt. Die Zweitbeklagte beabsichtige nun, die Liegenschaft weiterzuverkaufen. Auch wenn der Kaufvertrag über die Liegenschaft zwischen der Zweitbeklagten und dem Verkäufer geschlossen worden sei, handle es sich um ein Geschäft des Erstbeklagten auf eigene Rechnung, sodass die Klägerin von ihrem Eintrittsrecht nach § 24 Abs 3 GmbHG Gebrauch machen könne. Zudem liege ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor, weil der Erstbeklagte als Geschäftsführer der Klägerin die Geschäftschance nicht für die Klägerin, sondern für eigene Rechnung genutzt habe. Es liege auch ein unlauterer Rechtsbruch gemäß § 1 UWG vor.

Entscheidungen der Unterinstanzen

Das Erstgericht erließ ohne Anhörung der beklagten Parteien eine einstweilige Verfügung und ließ ins Grundbuch ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Klägerin eintragen. Der Erstbeklagte habe gegen das Wettbewerbsverbot des § 24 GmbHG verstoßen. In ihrem dagegen erhobenen Widerspruch wendeten die Beklagten ein, der Erstbeklagte sei ab Errichtung der Gesellschaft der Klägerin bis 1.12.2019 und damit auch im Zeitpunkt der Abgabe des letztlich auch angenommenen Kaufanbots vom 26.11.2019 als geschäftsführender Alleingesellschafter der Klägerin keinem Wettbewerbsverbot unterlegen. Er selbst habe weder sich selbst noch die Zweitbeklagte einem Wettbewerbsverbot unterwerfen wollen und Gegenteiliges auch nicht mit dem Treugeber vereinbart, der gewusst habe, dass der Erstbeklagte bereits vor Errichtung der Klägerin im Immobilienbereich tätig gewesen sei.

Die Klägerin hielt in weiterer Folge dem Einwand der Einwilligung in die konkurrenzierende Tätigkeit entgegen, der Erstbeklagte habe mit dem Treugeber vereinbart, alle künftigen Projekte über die Klägerin oder deren Tochtergesellschaften oder andere Gesellschaften, an welchen beide Gesellschafter beteiligt seien, abzuwickeln. Diesem Vorbringen hielten die Beklagten entgegen, das Sicherungsbegehren könne im Widerspruchsverfahren nicht auf neue Rechtsgründe und Tatsachen gestützt werden. Darüberhinaus wäre ein Beschluss nach § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG zur Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Wettbewerbsverbot gegen den Geschäftsführer erforderlich gewesen.

Das Erstgericht wies den Widerspruch samt Antrag auf Erlag einer Sicherheit ab und hielt die einstweilige Verfügung vom 5. 2. 2020 aufrecht. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Vom OGH waren im Wesentlichen folgende Rechtsfragen zu klären:

Wäre eine Beschlussfassung nach § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG erforderlich gewesen?

Hat die Klägerin den Einwand, der Erstbeklagte habe mit dem Treugeber vereinbart, alle künftigen Projekte über die Klägerin oder deren Tochtergesellschaften oder andere Gesellschaften, an welchen beide Gesellschafter beteiligt seien, abzuwickeln, verspätet erhoben?

Kann der Alleingesellschafter-Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot des § 24 GmbHG verstoßen?

Liegt in dem Ausnützen der Geschäftschance der Klägerin ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor?

Keine Beschlussfassung erforderlich

Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung setzt einen Beschluss nach § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG nicht voraus, weil dies mit dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes kollidieren würde. Da im Widerspruchsverfahren die Überprüfung auf Grund der Sach- und Rechtslage zur Zeit der Erlassung der einstweiligen Verfügung erfolgt, muss der Gesellschafterbeschluss bis zur Entscheidung über den Widerspruch schon deshalb nicht nachgeholt werden.

Kein verspätetes Vorbringen der Klägerin

Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist die Überprüfung der objektiven Richtigkeit der erlassenen einstweiligen Verfügung. Der Widerspruch ersetzt die vor der Erlassung der einstweiligen Verfügung unterbliebene Vernehmung des Gegners der gefährdeten Partei. Mit der Entscheidung über seinen Widerspruch wird der Widerspruchswerber so gestellt, wie er gestellt wäre, wenn die einstweilige Verfügung nach Einräumung des rechtlichen Gehörs erlassen worden wäre. Daher gilt im Widerspruchsverfahren kein Neuerungsverbot.

Bringt der Gegner der gefährdeten Partei neue Tatsachen vor, kann die gefährdete Partei auch im Widerspruchsverfahren darauf mit neuem Tatsachenvorbringen reagieren. Die Beklagten wendeten in ihrem Widerspruch ein, der Erstbeklagte sei Alleingesellschafter gewesen und der Treugeber habe von dessen Tätigkeit im Geschäftszweig der Klägerin gewusst, sodass er konkludent in dessen Konkurrenztätigkeit eingewilligt habe, zu der auch der gegenständliche Liegenschaftserwerb zähle. Mit der Behauptung, der Treugeber und der Erstbeklagte hätten vereinbart, alle Projekte gemeinsam über die Klägerin oder eine andere ihrer gemeinsam gehaltenen Gesellschaften abzuwickeln, trat die Klägerin lediglich diesen Einwendungen der Beklagten entgegen. Eine Änderung des Rechtsgrundes des (auch) auf eine Verletzung des in § 24 GmbHG normierten Wettbewerbsverbots gestützten Sicherungsbegehrens erfolgte dadurch nicht.

Der Erstbeklagte unterlag keinem Wettbewerbsverbot

Nach § 24 Abs 1 GmbHG dürfen Geschäftsführer ohne Einwilligung der Gesellschaft weder Geschäfte in deren Geschäftszweigen für eigene oder fremde Rechnung machen noch sich bei einer Gesellschaft des gleichen Geschäftszweigs als persönlich haftende Gesellschafter beteiligen oder eine Stelle im Vorstand oder Aufsichtsrat oder als Geschäftsführer bekleiden.

Der geschäftsführende Alleingesellschafter unterliegt keinem Wettbewerbsverbot, weil in einem solchen Fall ein von den Interessen des Alleingesellschafter-Geschäftsführers abweichendes Gesellschaftsinteresse, das durch § 24 Abs 1 GmbHG geschützt werden soll, grundsätzlich nicht besteht. Darüber hinaus kann auch von einer entsprechenden Zustimmung zur konkurrenzierenden Tätigkeit ausgegangen werden.

Daran änderte hier weder der Umstand, dass der Erstbeklagte als Alleingesellschafter-Geschäftsführer Geschäftsanteile treuhändig hielt, noch die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots mit dem Treugeber etwas. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum grundsätzlichen Verhältnis eines an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Treugebers zur Gesellschaft, dass nach dem Trennungsprinzip Gesellschaftsbeteiligung und Treuhandverhältnis voneinander zu trennen sind. Einen Verstoß gegen das vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbot und daraus abgeleitete Ansprüche könnte nur der Treugeber geltend machen.

Kein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr

Nach herrschender Auffassung statuiert § 82 Abs 1 GmbHG ebenso wie die korrespondierende Regelung des § 52 AktG nicht nur einen Schutz der Kapitaleinlagen, sondern eine umfassende Vermögensbindung. Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, die den Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zu Lasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt.

Auch die (unentgeltliche) Überlassung von „Geschäftschancen“ kann gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen. Im Schrifttum wird in diesem Zusammenhang teilweise auf eine Konkretisierung der Vermögensposition abgestellt, die erst dann vorliegen soll, wenn eine verbindliche Rechtsposition (zB eine verbindliche Option) bestehe. Koppensteiner/Rüffler (in GmbHG3 § 82 Rz 17e) erachten es als maßgeblich, ob die „Geschäftschance“ dergestalt konkretisiert ist, dass die Gesellschaft (bzw ein Masseverwalter) darüber verfügen kann, und sie einen mit der Verfügung erzielbaren Wert hat. Zumindest muss sich aber die Erwerbschance soweit verdichtet haben, dass ihr ein Marktwert zukommt, also ein Dritter für die Übertragung der „Geschäftschance“ ein Entgelt zahlen würde.

Nicht ausreichend ist hingegen der bloße Umstand, dass die Gesellschaft im Hinblick auf die Erwerbschance bereits Aufwendungen getätigt hat, die nun frustriert sind. Die unzulässige Einlagenrückgewähr könnte in einem solchen Fall allenfalls in der Ersparnis dieser Aufwendungen durch den Gesellschafter liegen.

Im vorliegenden Fall waren zumindest zwei Unternehmen mit der Vermittlung des Verkaufs der Liegenschaft befasst, für die es auch dritte Interessenten gab. Zwar haben Mitarbeiter der Klägerin im Hinblick auf einen allfälligen Erwerb der Liegenschaft eine Due Dilligence-Prüfung durchgeführt. Dies ist nach den erörterten Grundsätzen aber nicht ausreichend, um von einer Erwerbschance zu sprechen, die sich in einer Weise verdichtet hat, dass ein Dritter für ihre Überlassung ein Entgelt zahlen würde. Letzteres könnte etwa dann in Erwägung gezogen werden, wenn der Erwerb der Liegenschaft durch die Klägerin derart aufbereitet und die Verhandlungen derart fortgeschritten gewesen wären, dass der Verkäufer mit hoher Wahrscheinlichkeit nur an die Klägerin oder einen geeigneten, von dieser namhaft gemachten Erwerber dieser „Geschäftschance“ veräußert hätte. Dafür bestehen aber nach dem bescheinigten Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Schon deshalb lag somit kein geschützter Vermögenswert der Gesellschaft vor.

Eigene Meinung

Wir teilen das Ergebnis des OGH nicht, insbesondere zur Verneinung des Wettbewerbsverstoßes sowie des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. Wenn nur nach den sehr strengen Voraussetzungen des OGH ein Ausnützen einer Geschäftschance vorliegen kann, dann gibt es für Geschäftschancen quasi keinen Schutz der Gesellschaft durch das Verbot der Einlagenrückgewähr.

Auch wenn unsere Mandantin schlussendlich vor dem OGH im Provisorialverfahren verloren hat, war die Beantragung der einstweiligen Verfügung sowie die Bestätigung durch die ersten zwei Instanzen nicht umsonst: Das Veräußerungs- und Belastungsverbot verhinderte den geplanten Verkauf der Liegenschaft und die Gesellschafter haben die Verfahrensdauer genützt um sich zu einigen.

Nora Michtner hat zu dieser Entscheidung einen Aufsatz in der GES 2022/1 (GES 2022, 10) geschrieben.

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