Klausel Rechtsschutzbegrenzung nach Vertragsbeendigung so zulässig

Klausel Rechtsschutzbegrenzung nach Vertragsbeendigung so zulässig

Der Risikoausschluss, dass kein Versicherungsschutz besteht, wenn der Deckungsanspruch vom VN später als 2 Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags geltend gemacht wird, es sei denn der VN macht den Deckungsanspruch nach Kenntnis des Versicherungsfalls iSv § 33 VersVG unverzüglich geltend, ist nicht ungewöhnlich. Der Kausalitätsgegenbeweis ist nicht zulässig.

Sachverhalt

Der Zweitkläger ist Versicherungsnehmer, die Erstklägerin und die Drittklägerin sind Mitversicherte eines mit der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags.

Die Erstklägerin leidet seit 2013 an rezidivierenden Krampfanfällen. Am 22. April 2016 kam es zu einem solchen Krampfanfall, worauf eine Behandlung durch die T* GmbH (in der Folge GmbH) erfolgte. Diese nicht lege artis erfolgte notärztliche Versorgung und Behandlung löste einen schweren Sauerstoffmangel. Die Erstklägerin ist seitdem ein Pflegefall.

Im Mai 2018 wandte sich der Zweitkläger erstmals an die Patientenvertretung, um mögliche Ansprüche aufgrund der Behandlung der Erstklägerin geltend zu machen. Die unentgeltliche Vertretung der Erstklägerin, vertreten durch den Zweitkläger, übernahmen Juristen der Patientenvertretung. Diese korrespondierten in der Folge mit der GmbH, welche zunächst eine Haftung ablehnte.

Der Zweitkläger wurde bei einem Beratungsgespräch, welches zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Ende des Jahres 2019 und Juni 2020 stattfand, von einem juristischen Mitarbeiter der Patientenvertretung gefragt, ob er in dieser Sache einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsschutzversicherung habe. Nachdem der Zweitkläger antwortete, dass er aktuell eine Rechtsschutzversicherung bei der U* habe und davor bei der Beklagten versichert gewesen sei, riet ihm dieser Mitarbeiter, er solle sich einen Rechtsanwalt nehmen.

Im Zuge eines etwas zeitgleich mit einem Mitarbeiter des Versicherers geführten Gesprächs erwähnte er auch den Schadensfall der Erstklägerin und meldete diesen, um allgemein zu erfahren und sich darüber zu informieren, ob der Rechtsschutzversicherer die Kosten für diesen Schadensfall und ein allfälliges Gerichtsverfahren übernehmen würde. Der Mitarbeiter teilte dem Zweitkläger aber sogleich mit, dass zum Schadenszeitpunkt noch kein Versicherungsschutz bestanden habe, weil der Zweitkläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei der U* versichert gewesen sei. Trotz dieser beiden Gespräche kam der Zweitkläger nicht auf den Gedanken, den Vorfall vom 22. April 2016 bei der Beklagten zu melden oder sich bei dieser über eine allfällige Deckung zu informieren.

Relevante Bestimmungen der ARB

Dem Rechtsschutzversicherungsvertrags, der vom Zweitkläger per 1. Oktober 2017 gekündigt wurde, lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2014) zugrunde.

Artikel 3 Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)

3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als 2 Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht kein Versicherungsschutz. Dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer den Deckungsanspruch nach Kenntnis des Versicherungsfalles im Sinne des § 33 VersVG (siehe Anhang) unverzüglich geltend macht.

Artikel 8 Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsausspruchs zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet

1.1. den Versicherer

1.1.1. unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären,

OGH-Entscheidung

Eine Bedingung, die eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, ist im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen hat, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls eine Schadensanzeige erstattet wurde. Hat der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen (vgl 7 Ob 170/21g).

Dies ist aber hier gerade nicht der Fall. Gemäß Art 3.3. ARB 2014 besteht nämlich kein Versicherungsschutz, wenn der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als 2 Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags geltend gemacht wird, es sei denn der Versicherungsnehmer würde den Deckungsanspruch nach Kenntnis des Versicherungsfalls iSv § 33 VersVG unverzüglich geltend machen. Der Risikoausschluss des Art 3.3. ARB 2014 ist daher nicht ungewöhnlich iSv § 864a ABGB.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob es der Zweitkläger gemäß Art 3.3. zweiter Satz ARB 2014 nach Kenntnis des Versicherungsfalls iSd § 33 VersVG seine Schadensmeldung unverzüglich an den Versicherer erstattet hat.

Nach der Rechtsprechung ist der Versicherungsnehmer (im Gegensatz zur laufenden Rechtsschutzversicherung – vgl 7 Ob 140/16p mwN) nach Ablauf des Vertrags und darüber hinaus nach Ablauf einer allfälligen im Vertrag vorgesehenen Ausschlussfrist grundsätzlich gehalten, den Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und nicht mit der Anspruchsverfolgung zu zögern oder zuzuwarten, bis sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen (7 Ob 95/21b; vgl auch 7 Ob 206/19y). Andernfalls hätte er es nämlich durch das Zuwarten mit der Anspruchserhebung in der Hand, die in der Ausschlussklausel vereinbarte Nachhaftungsfrist nach Belieben hinauszuschieben, was mit dem Zweck einer Ausschlussklausel unvereinbar ist (7 Ob 206/19y; 7 Ob 31/20i).

Wenn der Versicherungsnehmer aber erst innerhalb der Zweijahres-Frist gemäß Art 3.3. ARB 2014 vom Versicherungsfall Kenntnis erlangt, geht die Rechtsprechung zu seinen Gunsten wie bei aufrechtem Versicherungsvertrag davon aus, dass die in Art 8.1.1. ARB 2014 vereinbarte Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalls erst dann entsteht, wenn sich die rechtliche Auseinandersetzung so weit konkretisiert hat, dass der Versicherungsnehmer mit der Aufwendung von Rechtskosten rechnen muss, also wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen (vgl 7 Ob 206/19y; 7 Ob 95/21b).

Das Erstgericht stellte fest, dass sich der Versicherungsfall (Fehlbehandlung der Erstklägerin) vor dem Laufzeitende des Vertrags (Kündigung per 1. Oktober 2017) ereignete und der Zweitkläger vom Versicherungsfall jedenfalls Mitte des Jahres 2019, also vor Ablauf der Zweijahres-Frist, Kenntnis davon erlangte und zwischen Ende des Jahres 2019 und 22. Juni 2020 den Versicherungsfall seinem derzeitigen Rechtsschutzversicherer meldete, der wegen Vorvertraglichkeit den Versicherungsschutz ablehnte. Daraus musste der Zweitkläger zwingend den Schluss ziehen, dass für eine Rechtsschutzdeckung nur die Beklagte in Frage kommt, bei der er unmittelbar davor rechtsschutzversichert war. Wenn der Zweitkläger unter diesen Umständen neuerlich (zumindest) mehr als 6 Monate verstreichen ließ, bis er die Meldung an die Beklagte erstattete, so ist die Anzeige jedenfalls nicht unverzüglich im Sinn von Art 3.3. zweiter Satz ARB 2014 erstattet worden. Somit greift der Risikoausschluss des Art 3.3. ARB 2014.

Anmerkungen

Der OGH stellt in dieser Entscheidung klar, dass es sich bei Art 3.3. ARB um einen Risikoausschluss handelt. Trotz des Verweises auf § 33 VersVG, bei welchem es sich um eine Obliegenheit handelt, sind Verschulden und Kausalitätsgegenbeweis bei der Frage, ob die Schadenmeldung unverzüglich erfolgt ist, nicht relevant. Das verwundert auf den ersten Blick, da ja § 33 VersVG in der Klausel angeführt wird. Es lässt sich aber aber dadurch erklären, dass der § 33 VersVG bei Art 3.3. der ARB nur dafür verwendet wird, zu definieren, was unter einer unverzüglichen Meldung verstanden wird („im Sinne des„). Art 3.3. bleibt zählt aber dennoch zu den Risikoausschlüssen, bei welchen bekanntlich Verschulden und Kausalitätsgegenbeweis nicht relevant sind.

In der Entscheidung 7 Ob 206/19y, also in jener Entscheidung, in welcher der OGH bestätigt hat, dass nach Ablauf einer allfälligen im Vertrag vorgesehenen Ausschlussfrist der Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und nicht das Abzeichnen von kostenauslösende Maßnahmen relevant ist, hat der OGH die Möglichkeit eines Kausalitätsgegenbeweises noch erörtert. Dieser war dort deswegen relevant, da die damalige Bestimmung des Art 3.3. ARB mangels Ergänzung des zweiten Halbsatzes (Verweis auf unverzügliche Meldung) gröblich benachteiligend und daher nichtig war. Der Versicherer konnte sich daher nur auf eine Verletzung des § 33 VersVG als Obliegenheit stützen, weshalb Verschulden und Kausalitätsgegenbeweis relevant waren.

Vgl auch versdb 2022, 55 – versdb.com

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