Einlagenrückgewähr und Gerichtsstand(svereinbarung)

Einlagenrückgewähr und Gerichtsstand(svereinbarung)

Stützt sich die Gesellschaft bei Geltendmachung von Einlagenrückgewähransprüchen gegen den (ehemaligen) Gesellschafter-Geschäftsführer nur auf seine Haftung nach § 25 GmbHG und nicht auch auf seine Gesellschafterstellung, bleibt kein Raum für die Anwendbarkeit des Zwangsgerichtsstandes nach § 83b JN.

Die klagende GmbH macht gegen den leistungsempfangenden Gesellschafter (Erstbeklagter) und gegen den damaligen Geschäftsführer (Zweitbeklagter) einen Einlagenrückgewähranspruch geltend. Der Zweitbeklagte hafte als ihr damaliger Geschäftsführer nach § 25 Abs 3 Z 1 GmbHG solidarisch für deren Rückzahlungsverpflichtung. Gegenständlich wurde vorerst nur die örtliche Zuständigkeit für die Klage gegen den Zweitbeklagten behandelt.

Die Übernahme der Geschäftsführung des Zweitbeklagten an der Klägerin basiert auf dem zwischen der Klägerin, der Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten abgeschlossenen „Geschäftsführer-Anstellungsvertrag und Management-Vertrag“, der auszugsweise lautet:

„1. Vorbemerkungen

1.5. Um die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers [des Zweitbeklagten] umfassend zu regeln, schließen die Parteien nunmehr den gegenständlichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag.

2. Funktion, Aufgaben und Dienstort

2.1. Der Geschäftsführer ist seit * einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer der Gesellschaft [der Klägerin]. Grundlage für die Tätigkeit des Geschäftsführers sind die jeweils anwendbaren rechtlichen Grundlagen sowie dieser Geschäftsführer-Anstellungsvertrag.

8. Weitere Regelungen

8.2. Für alle Streitigkeiten über das Eingehen, das Zustandekommen oder die Rechtswirksamkeit dieses Vertrages oder die Rechtswirkungen aus diesem Vertrag wird die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des sachlich in Betracht kommenden Gerichtes für Wien vereinbart.“

Alle Parteien haben ihren (Wohn-)Sitz im Sprengel des angerufenen Erstgerichts (Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz). Die Vorinstanzen wiesen nach Streitanhängigkeit die Klage gegen den Zweitbeklagten wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Erstgerichts zurück.

Der OGH bestätigte diese Entscheidungen

Kein Zwangsgerichtsstand nach § 83b JN

Nach § 83b Abs 1 JN gehören Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen ua einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und den Mitgliedern, sofern es sich um Ansprüche handelt, die allen oder einer bestimmten Gruppe von Teilnehmern gemeinsam sind, sowie Klagen wegen Anfechtung der Generalversammlungsbeschlüsse vor den sachlich zuständigen Gerichtshof des Sitzes der Vereinigung. Nach § 83b Abs 2 JN ist die Änderung dieses Gerichtsstands durch Vereinbarung der Parteien unzulässig.

Vom Zwangsgerichtsstand des § 83b JN sind, was sich bereits aus dem klaren Gesetzeswortlaut in Zusammenhalt mit der Rubrik „Streitigkeiten aus dem Verbandsverhältnisse“ ergibt, ausschließlich Streitigkeiten aus der spezifischen verbandsrechtlichen Beziehung zwischen den in der Bestimmung genannten Vereinigungen und ihren Mitgliedern erfasst.

Die Haftung des (Gesellschafter-)Geschäftsführers gegenüber der GmbH nach § 25 GmbHG leitet sich aus einem Verstoß gegen Pflichten ab, die ihn im Rahmen seiner Organstellung treffen; mit seiner allfälligen Stellung als Gesellschafter und der sich daraus ergebenden Sonderrechtsbeziehung zur Gesellschaft hat sie nichts zu tun. In der gesellschaftsrechtlichen Kommentarliteratur zu § 25 GmbHG sowie zur Parallelbestimmung des § 84 AktG ist durchwegs zutreffend davon die Rede, dass sich die örtliche Zuständigkeit wahlweise nach dem allgemeinen Gerichtsstand des in Anspruch genommen Organs (§§ 65 f JN) oder dem Sitz der Gesellschaft (§ 92b JN) richtet.

Die Klägerin gründet ihren Anspruch gegenüber dem Zweitbeklagten ausschließlich auf dessen behaupteten Pflichtverstoß als im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung verantwortlicher Geschäftsführer der Klägerin. Eine Verletzung von Gesellschafterpflichten des Zweitbeklagten ihr gegenüber hat die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs nicht einmal andeutungsweise behauptet. Für die Anwendung des § 83b JN auf die vorliegende Streitigkeit bleibt somit kein Raum.

Gerichtsstandsvereinbarung relevant

Angesichts der in 1.5. des Anstellungsvertrags ausdrücklich festgehaltenen Intention hinter der Vereinbarung, die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers umfassend zu regeln, liegt bei gebotener objektiver Betrachtung durchaus nahe, dass mit dem Verweis in Vertragspunkt 2.1. auf die „jeweils anwendbaren rechtlichen Grundlagen“ als Grundlage für die Tätigkeit des Geschäftsführers zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass der Zweitbeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin die Einhaltung der den Geschäftsführer treffenden gesetzlichen Pflichten auch vertraglich zusichert; zu diesen gehören aber auch die von der Klägerin relevierten Kapitalerhaltungsvorschriften.

Daraus folgt, dass die in Punkt 8.2. getroffene Gerichtsstandsvereinbarung, soweit sie sich auf „alle Streitigkeiten über […] die Rechtswirkungen aus diesem Vertrag“ bezieht, auch Ansprüche aus der Verletzung der im Gesetz positivierten „rechtlichen Grundlagen“ der Geschäftsführungstätigkeit (hier § 25 GmbHG) umfasst, und zwar unabhängig davon, ob diese Ansprüche unmittelbar auf das Gesetz oder auf die – im Sinne einer Anspruchskonkurrenz – daneben tretende vertragliche Haftung aus dem Anstellungsvertrag gestützt werden.

Generell spricht im Allgemeinen viel dafür, dass eine Zuständigkeitsvereinbarung, die für sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertrag gelten soll, in der Regel dahin auszulegen ist, dass sie neben den aus dem Vertrag abgeleiteten Ansprüchen auch die damit konkurrierenden deliktischen bzw gesetzlichen Ansprüche umfassen soll: Von dem allgemein geltenden Auslegungsgrundsatz ausgehend, dass Vertragsparteien vernünftige Lösungen anstreben, kann Vertragsparteien nicht unterstellt werden, in Fällen der Anspruchskonkurrenz vor unterschiedlichen Gerichten prozessieren zu wollen, es sei denn aus der Textierung der Vereinbarung ergäben sich Anhaltspunkte für das Gegenteil.

Soweit die Klägerin schließlich auf die in der Entscheidung 6 Ob 202/19b angestellte Erwägung Bezug nimmt, wonach das strenge österreichische Kapitalerhaltungsrecht durch Wahl eines Gerichtsstands, an dem dieses nicht in gleicher Weise durchsetzbar ist, nicht unterlaufen werden dürfe, ist dieser Umstand hier schon deshalb irrelevant, weil die vorliegende Gerichtsstandsvereinbarung bloß zu einer innerstaatlichen Veränderung der Zuständigkeit führt.

zurück