Festlegung Vertretungsbefugnis bei Entsendung Geschäftsführer

Festlegung Vertretungsbefugnis bei Entsendung Geschäftsführer

Aus einem gesellschaftsvertraglich eingeräumten, autonom ausführbaren Entsendungsrecht ergibt sich keine autonome Befugnis des Gesellschafters, gleichzeitig mit der Entsendung auch die selbstständige Vertretungsbefugnis des solcher Art bestellten Geschäftsführers festzulegen.

Sachverhalt

Im Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist der Minderheitsgesellschafterin ein Sonderrecht auf Entsendung eines Geschäftsführers eingeräumt. Zur Frage der Vertretungsbefugnis von Geschäftsführern regelt der Gesellschaftsvertrag lediglich die selbstständige Vertretungsbefugnis, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist und die Festlegung des Vertretungsrechtes durch Gesellschafterbeschluss, wenn zwei oder mehrere Geschäftsführer bestellt sind.

Die Minderheitsgesellschafterin bestellt mit einer Entsendungserklärung einen weiteren Geschäftsführer mit selbstständiger Vertretungsbefugnis. Dieser entsendete Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft sowie die Minderheitsgesellschafterin beantragen die Eintragung des entsendeten Geschäftsführers im Firmenbuch. Als Urkunden wird die Musterfirmazeichnung sowie die Entsendungserklärung vorgelegt.

Entscheidung Erstgericht und erster Rechtsgang

Das Erstgericht trägt den entsendeten Geschäftsführer als selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer im Firmenbuch ein. Die amtierenden Geschäftsführer erheben gegen diese Eintragung einen Rekurs, welcher erfolgreich ist (6 R 124/20d). Das OLG Wien trägt dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Laut OLG Wien bestünden begründete Zweifel an der Vertretungsbefugnis des Erstantragstellers (entsendeten Geschäftsführer) für die Gesellschaft. Die Anmeldepflicht trifft die Gesellschaft, vertreten durch die aktiven Geschäftsführer in einer zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Zusammensetzung. Grundsätzlich besteht Gesamtvertretung. Diese ist jedoch dispositiv. Abweichungen im Gesellschaftsvertrag, beispielsweise durch eine Entscheidungsdelegation an die Generalversammlung, sind zulässig. Es fehle jedoch Vorbringen dazu, auf welcher Grundlage der entsendete Geschäftsführer selbstständig vertretungsbefugt sein soll. Dies ergebe sich laut Rekursgericht weder aus dem Gesellschaftsvertrag, noch wurde ein entsprechender Beschluss vorgelegt. Laut Rekursgericht gibt es daher zwei Verbesserungsmöglichkeiten. Entweder es wird ein entsprechender Beschluss vorgelegt, oder die Eintragung wird durch die bereits eingetragenen Geschäftsführer genehmigt.

Der entsendete Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft (Erstantragsteller) sowie die Minderheitsgesellschafterin (Zweitantragstellerin) brachten daraufhin im erstinstanzlichen Firmenbuchverfahren ergänzend vor, dass sich die selbstständige Vertretungsbefugnis des entsendeten Geschäftsführers bereits aus der von der Zweitantragstellerin festgesetzten selbstständigen Vertretungsbefugnis in einer Entsendungserklärung ergebe. Das Entsendungsrecht laut Gesellschaftsvertrag umfasse auch die Festlegung des Umfanges der Vertretungsbefugnis. Das Sonderrecht geht der Regelung im Gesellschaftsvertrag, dass bei mehreren Geschäftsführern die Vertretungsbefugnis durch Gesellschafterbeschluss geregelt werde, vor.

Das Erstgericht blieb daraufhin bei der Eintragung des entsendeten Geschäftsführers mit selbstständiger Vertretungsbefugnis. Es argumentierte, dass das Sonderrecht auf Entsendung auch die Festlegung der Vertretungsbefugnis umfasst und die Regelung im Gesellschaftsvertrag über die Beschlussfassung durch die Gesellschafter derogiert. Es handle sich nämlich um kein bloßes Nominierungsrecht. Die Bestellung des Geschäftsführers kann von der Festlegung der Vertretungsbefugnis nicht getrennt werden.

Entscheidung OLG Wien

Der von den anderen Geschäftsführern der Gesellschaft erhobene Rekurs war jedoch berechtigt. Laut OLG Wien ergibt sich aus dem Entsendungsrecht nicht eine autonome Befugnis der Minderheitsgesellschafterin, abweichend von § 18 Abs 2 GmbHG und trotz Fehlens einer anderslautenden gesellschaftsvertraglichen Regelung gleichzeitig mit der Entsendung auch die selbstständige Vertretungsbefugnis festzulegen. Der entsendete Geschäftsführer bleibt so auch nicht ohne Vertretungsbefugnis, sondern ist aufgrund von § 18 Abs 2 Satz 1 GmbHG gesamtvertretungsbefugt. Da der entsendete Geschäftsführer daher nicht selbstständig vertretungsbefugt ist, kann er auch nicht alleine die Gesellschaft beim Firmenbuchantrag vertreten. Die Zweitantragstellerin als Gesellschafterin ist nicht antragsberechtigt.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es wurde ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben.

Gleichlautend gibt es eine zweite nicht rechtskräftige Entscheidung des OLG Wien vom 17.12.2020 zu 6 R 192/20d.

ANMERKUNG: Es gibt nun bereits rechtskräftige OGH-Entscheidungen – 6 Ob 23/21g (6 Ob 22/21k).

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