Führerscheinklausel in der Unfallversicherung

Führerscheinklausel in der Unfallversicherung

Dass ein Versicherer mit Sitz in Österreich bei einem in Österreich wohnhaften Versicherungsnehmer unter dem Gesichtspunkt der Kalkulierbarkeit des Risikos bei der Frage der Lenkerberechtigung auf österreichisches Recht abstellt, ist aus Sicht eines durchschnittlichen VN weder ungewöhnlich noch unerwartet.

Zwischen dem Ehegatten der Klägerin und der Beklagten bestand ein Unfallversicherungsvertrag. Bezugsberechtigte im Todesfall ist die Klägerin.

Relevante Bestimmungen der AUVB

14 Abs 1. Obliegenheit vor Eintritt des Versicherungsfalles

Um dem Eintritt des Versicherungsfalls oder einer Erhöhung des Umfangs der Versicherungsleistung vorzubeugen, ist folgende Obliegenheit einzuhalten:

Die versicherte Person besitzt als Lenker eines Kraftfahrzeuges die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung nach österreichischem Recht, die zum Lenken dieses Kraftfahrzeuges vorgeschrieben ist; dies gilt auch dann, wenn dieses Fahrzeug nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird.

Wird diese Obliegenheit zumindest leicht fahrlässig verletzt, sind wir insoweit leistungsfrei, als die Verletzung einen Einfluss auf die Höhe der Versicherungsleistung oder den Eintritt des Versicherungsfalles gehabt hat.

Obliegenheit

Der Ehegatte der Klägerin verstarb bei einem Motorradunfall im Iran. Der Verstorbene verfügte im Unfallzeitpunkt zwar über einen gültigen Führerschein der Republik Österreich für die Fahrzeugklasse B, nicht jedoch für die Fahrzeugklasse A1. Es war auch weder der „Code 111“ in seinem Führerschein eingetragen noch hatte er eine praktische Ausbildung im Lenken von Krafträdern der Klasse A1 absolviert. Der konkrete Unfallhergang kann nicht festgestellt werden.

Die Klägerin brachte vor, der Verstorbene habe über eine gültige Lenkerberechtigung in dem Land verfügt, in dem sich der Unfall ereignet habe. Nach österreichischem Recht sei es zulässig, ein Fahrzeug in einem anderen Land zu lenken, wenn man in diesem dazu berechtigt sei, sodass keine Obliegenheitsverletzung vorliege. Im Übrigen verstoße die in § 14 AUVB 2016 vorgesehene Obliegenheit gegen § 864a ABGB, weil sie von den Versicherungsbedingungen anderer Versicherer abweiche und in den Versicherungsbedingungen versteckt sei; darüber hinaus sei sie gröblich benachteiligend und intransparent.

OGH-Entscheidung

Mit § 14.1. AUVB 2016 vergleichbare – als „Führerscheinklauseln“ bezeichnete – Bedingungen wurden vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach als Obliegenheiten qualifiziert (etwa 7 Ob 43/11s zu Art 9.2.1 AKHB 1995; 7 Ob 159/18k zu Art 24.1 UB00). Die Führerscheinklauseln zielen darauf ab, den Versicherer nicht dem höheren Risiko durch unerfahrene und ungeschulte Lenker auszusetzen. Sie stellen daher darauf ab, ob der Lenker eine (allgemeine) Fahrberechtigung und damit eine gewisse Fahrsicherheit hat.

Der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass jedem VN das Wissen zugemutet werden muss, dass einem (Unfall-)Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Der durchschnittliche VN hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und -einschränkungen zu rechnen (vgl RS0016777). Sie sind insoweit grundsätzlich weder ungewöhnlich gemäß § 864a ABGB noch im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend (7 Ob 169/17d; 7 Ob 70/21a).

Die vorliegende Führerscheinklausel stellt auf die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung nach österreichischem Recht ab. Dass ein Versicherer mit Sitz in Österreich bei einem in Österreich wohnhaften Versicherungsnehmer unter dem Gesichtspunkt der Kalkulierbarkeit des Risikos bei der Frage der Lenkerberechtigung auf österreichisches Recht abstellt, ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass die kraftfahrrechtlichen Bestimmungen von Staaten außerhalb der Europäischen Union (wie hier: Iran) maßgeblich von der nationalen Rechtslage abweichen und auch schwer ermittelbar sein können, aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers weder ungewöhnlich noch unerwartet. Der Umstand allein, dass andere Versicherer nicht auf die österreichische Rechtslage abstellen, macht die Klausel ebenfalls nicht ungewöhnlich.

Die klare und leicht auffindbare Klausel ist somit zusammengefasst weder überraschend nach § 864a ABGB noch gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB noch intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG.

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