Unversperrte Türe bei Aufenthalt im Garten nicht grob fahrlässig

Unversperrte Türe bei Aufenthalt im Garten nicht grob fahrlässig

Das (bloße) Zuziehen von Außentüren bei gleichzeitigem persönlichem Aufenthalt im Garten des versicherten Objekts ist eine ausreichend übliche Gepflogenheit und stellt keine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 61 VersVG dar.

Sachverhalt

Die Klägerin hat beim beklagten Versicherer eine Haushaltsversicherung (ua gegen Einbruchdiebstahl) für ihr Haus abgeschlossen. Die im Haus der Klägerin wohnende Mutter wurde Opfer eines Einbruchsdiebstahls. Der Täter öffnete das geschlossene aber nicht versperrte Eingangstor durch das Einbringen eines speziellen Werkzeugs zwischen dem Türblatt und dem Türstock bzw dem Stehflügel, um die Falle in den Schlosskasten zu drücken. Die Täter gelangten sodann durch die Tür ins Stiegenhaus und von dort in den Wohnbereich der Mutter.

Zum Zeitpunkt des Einbruchs befand sich die Mutter der Klägerin nicht auf der Liegenschaft. Die Klägerin war im Garten, wo sie einige Meter hinter dem gartenseitigen Tor der Einfahrt Gartenarbeiten verrichtete. Das Eingangstor war in die Falle gezogen, und zwar bei geschlossener Verriegelung („Schnapperl zu“). Die Tür im Bereich der Einfahrt, die zum Stiegenhaus führt, war ebenso unversperrt wie die Türen zu den jeweiligen Wohnbereichen.

Relevante Bestimmungen der AVB

Bedingungen für die Wohnungsversicherung Deckungsvariante „Optimal“ ZGWO Fassung 05/2014

„Welche Sicherheitsmaßnahmen sind zu treffen? – Artikel 4

-Wird die Wohnung von allen Personen verlassen, ist sie zu versperren und die vereinbarten Sicherungen anzuwenden

Bei Verletzung dieser Sicherheitsvorschriften kommen die in Artikel 3 ABS angeführten Rechtsfolgen zur Anwendung, das bedeutet, dass die Verletzung dieser Sicherheitsvorschriften zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann.“

OGH-Entscheidung

Der Versicherer ist leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall im Sinn des § 61 VersVG grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dabei handelt es sich um einen (verhaltensabhängigen) Risikoausschluss.

Grobe Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Gesetzesstelle liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (RS0031127 [T27]). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne Weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (RS0030324 [T2]; RS0031127 [T28]; RS0080414 [T3]). Zur Annahme von grober Fahrlässigkeit ist es erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Kläger dies auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RS0030272 [T17, T31]). Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanpassung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht. In diesem Sinn ist im Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Eine Reihe jeweils für sich alleine nicht grob fahrlässiger Fehlhandlungen kann in ihrer Gesamtheit grobe Fahrlässigkeit begründen. Voraussetzung ist, dass sie in ihrer Gesamtheit als den Regelfall weit übersteigende Sorglosigkeit anzusehen sind.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das (bloße) Zuziehen von Außentüren bei gleichzeitigem persönlichem Aufenthalt im Garten des versicherten Objekts sei eine ausreichend übliche Gepflogenheit, die dem Vorwurf eines grob fahrlässigen Herbeiführens des Versicherungsfalls nach § 61 VersVG keinen Raum lasse, ist nicht zu beanstanden. Auch der von der Beklagten herangezogene Umstand, wonach die Klägerin sich mehr als eine Stunde für Arbeiten im Garten aufgehalten habe, die es ihr nicht ermöglicht hätten, den Eingang und die Türen im Blick zu behalten, begründet keine grobe Fahrlässigkeit.

Vgl. auch 7 Ob 59/23m.

 

Beitrag von Julia Loisl.

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