Kaskoversicherung und dolus coloratus

Kaskoversicherung und dolus coloratus

Für die Annahme eines „dolus coloratus“ genügt es schon, wenn die Obliegenheitsverletzung in der Absicht erfolgte, die Versicherungsleistung schneller und problemloser zu erhalten oder den Versicherer in die Irre zu führen.

Sachverhalt

Am 7. 9. 2020 gegen 3:00 Uhr Früh wurde das vom weiteren Zulassungsbesitzer, dem Sohn der Klägerin, gelenkte Fahrzeug beschädigt. Die Reparaturkosten betragen 19.240,45 EUR und wurden von der Beklagten nicht übernommen.

Der Lenker des Fahrzeugs hat im Zuge der von der Beklagten durchgeführten Erhebungen wahrheitswidrig erklärt, dass er sich vor dem Unfall mit einer Freundin getroffen und die Zeit mit dieser verbracht habe. Diese Freundin hat ihn nicht getroffen und sie war mit ihm auch nicht unterwegs. Auch die Klägerin hat diese Freundin bei einem Telefonat gebeten, gegenüber dem beklagten Versicherer anzugeben, dass sie vor dem Unfall mit ihrem Sohn – dem Lenker – zusammen gewesen sei. Diese Freundin hatte mit der Klägerin telefonisch Kontakt aufgenommen, um zu klären, was diese (unrichtige) Angabe des Unfalllenkers bewirken solle.

Relevante Bestimmungen der AVB (ABBKU)

Artikel 7 Was ist vor bzw nach Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten?

3. Als Obliegenheiten, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen des § 6 Abs 3 VersVG (siehe Anlage) bewirkt, werden bestimmt,

3.2. nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen.

OGH-Entscheidung

Die Deckungsablehnung des Kaskoversicherers wegen Obliegenheitsverletzung ist berechtigt.

Die die Klägerin gemäß Art 7.3.2. ABBKU 2019 (nach Eintritt des Versicherungsfalls) treffende Aufklärungsobliegenheit soll nicht nur die nötigen Feststellungen über den Unfallsablauf, die Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umstand des entstandenen Schadens ermöglichen, sondern auch die Klarstellung all jener Umstände Gewähr leisten, die für allfällige Regressansprüche des Versicherers von Bedeutung sein können. Darunter fällt auch die objektive Prüfung der körperlichen Beschaffenheit des an einem Unfall Beteiligten hinsichtlich einer allfälligen Alkoholisierung oder Beeinträchtigung durch Suchtgift oder Übermüdung.

Ein Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind, mit anderen Worten eine Obliegenheitsverletzung mit dem Vorsatz begeht, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“), verwirkt seinen Anspruch. Für die Annahme eines „dolus coloratus“ genügt es schon, wenn die Obliegenheitsverletzung in der Absicht erfolgte, die Versicherungsleistung schneller und problemloser zu erhalten oder den Versicherer in die Irre zu führen. Der Kausalitätsgegenbeweis ist nicht zulässig.

Das Berufungsgericht führte unbedenklich aus, dass der Aufenthalt des Unfalllenkers vor Antritt der Fahrt für die Leistungspflicht des Kaskoversicherers (im Hinblick auf die Zeit des Unfalls um 3:00 Uhr Früh) bedeutsam gewesen sei. Dessen Beurteilung, dass auch die Klägerin die Leistungspflicht des beklagten Versicherers beeinflussen wollte und an der Obliegenheitsverletzung mitgewirkt habe, wodurch auch ihr – wie auch ihrem Sohn – „dolus coloratus“ anzulasten sei, sodass die Beklagte nicht zur Übernahme der Reparaturkosten verpflichtet sei, ist nicht zu beanstanden.

 

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