Arglistige Täuschung bei Geschäftsanteilserwerb

Arglistige Täuschung bei Geschäftsanteilserwerb

Auch das bewusste Verschweigen von Tatsachen begründet List, wenn der andere nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs Aufklärung erwarten durfte.

Die Klägerin betrieb eine GmbH als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin. Ihre Tochter war im Unternehmen mehrere Jahre für die Kundenbetreuung und Akquisition angestellt. Die Mutter trat der Tochter ihren Geschäftsanteil irgendwann um EUR 1,00 ab. Allerdings bot die Tochter der Mutter gleichzeitig für 15 Jahre befristet die Rückabtretung des Anteils an. Die Mutter blieb Geschäftsführerin. Nach einigen Jahren verschlechterte sich das Verhältnis. Die Mutter kündigte an, vom Angebot der Rückabtretung Gebrauch zu machen, es sei denn, die Tochter bezahle einen entsprechenden Preis für das Unternehmen.

Die Mutter ließ daraufhin eine Unternehmensbewertung von der Wirtschaftskammer Österreich durchführen, die einen Betrag von EUR 92.448,00 ermittelte. Die Mutter wollte jedoch von der Tochter EUR 138.000,00. Der zusätzlich geforderte Betrag entspreche laut Mutter einem monatlichen Geschäftsführergehalt von EUR 1.000,00 bis zum 80. Lebensjahr. Dies könne laut der Mutter aus den Unternehmenserträgen leicht bezahlt werden.

Mutter und Tochter einigten sich daraufhin, dass die Mutter auf ihre Rückabtretung verzichtet und die Tochter der Mutter monatlich EUR 1.000,00 für 138 Monate „schenkt“.

In der Realität war das Unternehmen jedoch nicht einmal die EUR 92.448,00 wert. Dies lag daran, dass die Mutter die Personalkosten zu niedrig geschätzt hat. Die Mutter war sachkundig im Bereich der Buchhaltung und wusste darüber Bescheid. Die Tochter jedoch nicht, welche von einem Wert von EUR 92.448,00 ausging.

Die Tochter stellt daraufhin die Zahlung nach der 50. Rate ein. Die Mutter klagte daraufhin die Tochter gestützt auf den Schenkungsvertrag auf Leistung. Die Tochter hält der Klage List und Irrtum entgegen und fordert die Vertragsanpassung bzw. Anfechtung. Hilfsweise machte sie Wucher, Drohung und laesio enormis geltend.

Das Erstgericht wies die Klage der Mutter ab. Der Schenkungsvertrag sei ein gemeinsamer entgeltlicher Verzichtsvertrag. Das Unternehmen sei wertlos. Es liege Wucher vor.

Das Berufungsgericht hob das Urteil jedoch auf und gab der Klage statt. Es liege ein Leibrentenvertrag im Sinne des § 284 ABGB und somit ein Glücksvertrag vor. Laesio enormis könne hier nicht eingewendet werden. Wucher liege nicht vor, da sich die Tochter in keiner Zwangslage befunden habe. Der Arglisteinwand wäre nur zu bejahen, wenn die Mutter den Zuständigen für die Unternehmensbewertung bei der Wirtschaftskammer getäuscht haben sollte. Dazu fehlte es jedoch am Vorbringen der Tochter. Allerdings lässt das Berufungsgericht die Revision zu, weil Rechtsprechung zum Wucher im Zusammenhang mit dem Leibrentenvertrag fehle.

Der OGH stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her, allerdings ohne sich mit der Wucher-Thematik zu beschäftigen. Zwar sei der Vertrag tatsächlich als Leibrentenvertrag zu beurteilen. Relevant sei aber vor allem der Einwand der arglistigen Täuschung. List erfordert, dass der Täuschende den anderen bewusst in die Irre führt oder Irrtum ausnützt. Auch das bewusste Verschweigen von Tatsachen begründet List, wenn der andere nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs Aufklärung erwarten durfte. Die Mutter habe gewusst, dass der von ihr genannte Unternehmenswert unrichtig war und die Tochter dennoch nicht aufgeklärt. Der Unternehmenswert sei entscheidend für die Einigung gewesen. Weiters lag eine zusätzliche Irreführung auch dadurch vor, dass die Mutter die Behauptung aufstellte, dass die EUR 1.000,00 aus den Erträgen bezahlt werden könnten.

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