Vom Zweikonten- zum Dreikontenmodell?

Vom Zweikonten- zum Dreikontenmodell?

Bei einer Kommanditgesellschaft war strittig, ob „das“ Verrechnungskonto eines Kommanditisten ein Einlagekonto war (also quasi ein fixes Kapitalkonto), von dem Entnahmen nur mit einem (einstimmigen) Gesellschafterbeschluss zulässig sind, oder ein bloßes Forderungskonto, von dem Entnahmen auch ohne Gesellschafterbeschluss zulässig sind. Es lohnt sich, das im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zu regeln!

Sachverhalt

Zwei Kommanditisten stritten, der eine wollte den ihm anteilig zustehenden Bilanzgewinn nicht nur auf sein Verrechnungskonto (Privatkonto) gebucht wissen, sondern diesen auch entnehmen. Der andere Kommanditist verweigerte eine Entnahme mit den Argumenten, dass die Verteilung des Gewinns von dessen Auszahlung zu unterscheiden sei und nach dem Gesellschaftsvertrag eine Gewinnentnahme einen Gesellschafterbeschluss bedürfe, der nicht vorliege.

Auslegung von Gesellschaftsverträgen

Einleitend hält der OGH einmal mehr fest, dass nach einem Gesellschafterwechsel auch Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften objektiv auszulegen sind, weil dazukommenden Gesellschaftern nur der Gesellschaftsvertrag als Vertrauensgrundlage zur Verfügung steht (6 Ob 145/19w und 6 Ob 96/20s).

Keine Differenzierung zwischen Gewinnentnahme und sonstiger Entnahme

Ferner stellte der OGH fest, dass es auf Grund der Formulierung des konkreten Gesellschaftsvertrages („zu Lasten der Privatkonten“) nicht nur um die Entnahme des Gewinnanteiles geht, sondern um jede Entnahme.

Einlagekonto

Vereinbaren die Gesellschafter, dass ihre Kapitalkonten der Höhe nach unverändert bestehen sollen, um ihre Beteiligung am Vermögen sowie am Gewinn beziehungsweise Verlust der Gesellschaft festzulegen, werden auf diesen Kapitalkonten – außer der einmaligen Einlage – keine weiteren Buchungen vorgenommen. Solche Konten werden als Einlagekonto, Kapitalkonto I oder als fixes beziehungsweise festes Kapitalkonto bezeichnet.

Von solchen Konten sind Entnahmen nur mit einem (einstimmigen) Gesellschafterbeschluss zulässig.

Verrechnungskonto

Wenn das Kapitalkonto ein fixes beziehungsweise festes Einlagenkonto ist, werden in der Regel Gewinne, Verluste und Entnahmen auf einem zweiten Konto gebucht, das in der Praxis als variables Konto, Kapitalkonto II, Verrechnungskonto, Privatkonto, Darlehenskonto oder Separatkonto bezeichnet wird.

Zweikontenmodell

Zu dieser Praxis, nämlich zwei Konten zu führen, besteht gesicherte Rechtsprechung (1 Ob 141/02w, 6 Ob 39/10v, 6 Ob 181/15h und 6 Ob 254/20a).

Problem

Ob ein Verrechnungskonto auch ein Einlagekonto ist, von dem Entnahmen nur mit einem Gesellschafterbeschluss zulässig sind, oder ein Forderungskonto, von dem auch ohne Gesellschafterbeschluss Entnahmen zulässig sind, hängt vom Gesellschaftsvertrag und den Gesellschafterbeschlüssen ab, die auch stillschweigend zustande kommen können, zum Beispiel durch ständige Übung (Buchung bestimmter Beträge oder Zweckbestimmung bestimmter Konten).

Unterscheidungskriterien

Für die Qualifikation eines Kontos als Einlagekonto spricht:

  • die Verbuchung von auch Verlusten;
  • das Fehlen einer Verzinsung;
  • Erschwerung von Entnahmen (Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses als Voraussetzung für die Auszahlung);
  • das Fehlen von Bestimmungen über die Höhe und den Termin der Rückzahlung.

Für die Qualifikation eines Kontos als Forderungskonto spricht:

  • die Verbuchung von nur Gewinne und nur Entnahmen;
  • feste Verzinsung;
  • Befugnis, das Guthaben jederzeit abzuheben (oder nach einer Kündigung).

Kein Kriterium ist, wo die Verrechnungskonten bilanziert werden, nämlich als Verbindlichkeit auf der Passivseite oder auf der Aktivseite als Eigenkapital. Vielmehr kommt es auf die Behandlung der Konten durch die Gesellschafter an (Buchung von Verlusten usw.). Außerdem ergibt sich aus der Qualifikation als Fremdkapital noch nicht die Fälligkeit einer Forderung.

In Fällen, in denen die Grenzziehung zwischen Einlagekonto und Forderungskonto unmöglich ist, weil etwa sämtliche Entnahmen, Gewinne und Verluste auf dem Verrechnungskonto verbucht werden, führt dies zu einer „Eigenkapital-Infizierung“ des gesamten Kontos (6 Ob 39/10v). Dies bedeutet, dass ein solches, „infiziertes“ Verrechnungskonto wie ein Einlagekonto zu behandeln ist und Entnahmen davon nur zulässig sind, wenn es dafür einen (einstimmigen) Gesellschafterbeschluss gibt, zumal das vertragliche Entnahmerecht des Kommanditisten ebenso eingeschränkt werden darf, wie das gesetzliche Entnahmerecht des Komplementärs (3 Ob 89/97b).

Bilanzierung

Im konkreten Fall wurde das Verrechnungskonto als Verbindlichkeit auf der Passivseite bilanziert. Die Bilanz wurde von den zwei streitenden Kommanditisten einstimmig festgestellt. Dazu meinte der OGH, dass auch die einstimmig festgestellte Bilanz noch nicht zu einem unbedingten, fälligen Anspruch auf Auszahlung des Bilanzgewinnes führt (6 Ob 219/19b und Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 904 Rz 2), denn die Bilanzierung ist vom Gesellschaftsvertrag zu trennen.

Ergebnis des konkreten Falles

Jener Kommanditist, der die Entnahme des anderen Kommanditisten mit den Argumenten verweigerte, dass die Verteilung des Gewinns von dessen Auszahlung zu unterscheiden sei und eine Gewinnentnahme einen Gesellschafterbeschluss bedürfe, behielt recht. Kein Kommanditist darf ohne Gesellschafterbeschluss Entnahmen einseitig tätigen.

Dreikontenmodell (Muster)

Sehr oft werden Einlagekonten mit äußerst geringen Beträgen dotiert (zum Beispiel mit 1.000,- Euro je Gesellschafter). Unternehmen brauchen aber fast immer ein wesentlich höheres working capital, als die auf den Einlagekonten erliegenden Beträge. Working capital wird meist nicht zur Gänze von Banken finanziert, sodass Gesellschafter am Start ihres Unternehmens zusätzlich zur geringen Einzahlung auf das Einlagekonto einen wesentlich höheren Betrag auf das Verrechnungskonto einzahlen und später bereits erwirtschaftete Gewinne zum Teil am Verrechnungskonto liegen lassen müssen. Einen Teil des Gewinnes wollen sie aber vielleicht entnehmen, ohne fragen zu müssen. Der aktuelle Fall zeigt, dass dies nicht geht, wenn ein Verrechnungskonto eigenkapitalinfiziert ist. Es empfiehlt sich daher, ein Dreikontenmodell zu vereinbaren, das zum Beispiel so geregelt werden könnte:

1. Die Gesellschafter werden in die Gesellschaft je 1.000,- Euro bar einlegen und sind daher mit einer Gesellschaftereinlage in der Höhe von je 1.000,- Euro beteiligt. Diese Gesellschaftereinlagen werden auf fixen Kapitalkonten geführt und nicht verzinst.

Entnahmen von den fixen Kapitalkonten bedürfen eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses.

2. Die Gesellschafter werden eine darüberhinausgehende weitere Bareinlage in der Höhe von jeweils 50.000,- Euro leisten. Diese Bareinlagen dienen der Aufrechterhaltung der Liquidität der Gesellschaft, werden auf Einlagekonten geführt und nicht verzinst.

Verluste werden den Einlagekonten anteilig zugewiesen.

Entnahmen von den Einlagekonten bedürfen ebenfalls eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses.

3. Weiters verfügt jeder Gesellschafter über ein variables Verrechnungskonto, welches jährlich mit […] Prozent verzinst wird.

Gewinne werden den variablen Verrechnungskonten anteilig zugewiesen.

Entnahmen von einem Verrechnungskonto sind ohne Gesellschafterbeschluss zulässig, wenn das Einlagekonto des entnehmen wollenden Gesellschafters ein Guthaben von 50.000,- Euro aufweist und solange dessen Verrechnungskonto durch ein Guthaben gedeckt ist.

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