Einheitliche Streitpartei bei Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH

Einheitliche Streitpartei bei Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH

Bei der Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH werden alle beklagten Gesellschafter als eine einheitliche Streitpartei betrachtet. Ein Versäumnisurteil gegen einen einzelnen, untätigen Gesellschafter ist daher unzulässig.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer und 30%-Gesellschafter einer GmbH. Er begehrte die Abberufung des Erstbeklagten, eines kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführers, der 20%-Gesellschafter der Gesellschaft ist, sowie die Zustimmung vom Zweitbeklagten (1%-Gesellschafter) und der drittbeklagten Privatstiftung (49%-Gesellschafterin) zur Abberufung.

Begründet wurde dies mit dessen Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§ 117 Abs 1 UGB) und grober Pflichtverletzung (§ 127 UGB). Der Erstbeklagte verfüge nicht über die nötige Ausbildung und die erforderlichen Fähigkeiten zur Führung der Geschäfte, zeige kein Interesse an der Geschäftsführung und habe vertrauliche Informationen an Dritte weitergegeben.

Der Erst- und Zweitbeklagte wiesen die Vorwürfe zurück und bezeichneten die Abberufungsgründe als unsubstantiiert und frei erfunden. Die drittbeklagte Privatstiftung beteiligte sich nicht am Verfahren und nahm auch nicht an der vorbereitenden Tagsatzung (= erster Teil der mündlichen Streitverhandlung) teil.

Entscheidung des Erstgerichts

Das Erstgericht erließ ein Versäumungsurteil zugunsten des Klägers. Es erkannte die drittbeklagte Privatstiftung als säumig und verpflichtete sie, in die Abberufung des Erstbeklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft einzuwilligen. Das Gericht stellte fest, dass zwar ein einheitlicher Streitgegenstand, jedoch keine einheitliche Streitpartei auf Seiten der Beklagten vorliege. Daher wirke die Klagebeantwortung der Erst- und Zweitbeklagten nicht für die drittbeklagte Stiftung, was deren Säumnis begründe.

Gegen dieses Urteil legten der Erst- und Zweitbeklagte wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Berufung ein und beantragten, das Versäumungsurteil ersatzlos aufzuheben.

Entscheidung des OLG Wien

Für die Berechtigung des Erstgerichts, ein Versäumungsurteil gegen die drittbeklagte Stiftung zu erlassen, war entscheidend, ob die drei Beklagten eine einheitliche Streitpartei gemäß § 14 ZPO bilden. Eine einheitliche Streitpartei liegt vor, wenn das zu fällende Urteil aufgrund der Natur des strittigen Rechtsverhältnisses oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften für alle Beteiligten gleichermaßen gilt. In diesem Fall wirkt die Prozesshandlung (zB die Klagebeantwortung) eines Streitgenossen auch für die anderen, sodass ein Versäumungsurteil gegen einzelne, nicht tätig gewordene Gesellschafter nicht möglich ist.

Der Kläger machte zwei unterschiedliche Ansprüche geltend:

  • einen Gestaltungsanspruch auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis ( 117 UGB) und der Vertretungsmacht (§ 127 UGB)
  • die Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Abberufung

Bei Personengesellschaften sind diese Verfahren nach herrschender Lehre und Rechtsprechung als einheitlicher Prozess mit einem einheitlichen Streitgegenstand zu führen, bei dem der sich weigernde Gesellschafter als Mitbeklagter geklagt werden kann.

Gemäß § 16 Abs 2 GmbHG sind für die gerichtliche Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH die §§ 117 Abs 1, 127 UGB sinngemäß anzuwenden. Die entscheidende Frage, zu der höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt, lautete, ob die etablierte Rechtsprechung für Personengesellschaften auch auf GmbHs übertragbar ist.

In der Literatur wird die Frage unterschiedlich beantwortet, überwiegend aber bejaht (etwa Zib in Torggler, GmbHG § 16 Rz 37; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht2 4/166). Koppensteiner hingegen argumentiert, dass nur jene Gesellschafter, die gegen die Abberufung des Geschäftsführers gestimmt haben, auf Zustimmung geklagt werden müssen (Koppensteiner in Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 16 Rz 22, und in Straube/Ratka/Rauter, UGB4 § 127 Rz 6). Dies gilt nach Ansicht des Berufungsgerichts aber nur für Fremdgeschäftsführer und nicht für Gesellschafter-Geschäftsführer. Folglich schloss sich das OLG Wien (wie bereits das OLG Graz zu 3 R 49/16z bei einem gleichgelagerten Sachverhalt) der Ansicht an, dass auch bei GmbHs die Beklagten eine einheitliche Streitpartei bilden, wie vom verstärkten Senat des OGH für Personengesellschaften vorgegeben (1 Ob 40/01s).

Die Klagebeantwortung des Erst- und Zweitbeklagten wirkte somit auch für die drittbeklagte Stiftung, sodass keine Säumnis vorlag und damit keine Voraussetzung für ein Versäumungsurteil gegeben war. Das angefochtene Versäumungsurteil wurde aufgehoben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Revisionsrekurs an den OGH ist zulässig, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der einheitlichen Streitpartei bei der gerichtlichen Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH vorliegt und diese Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.

Praktische Relevanz

Die Entscheidung des OLG Wien stellt klar, dass bei der gerichtlichen Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH alle beklagten Gesellschafter als einheitliche Streitpartei betrachtet werden. Das bedeutet, dass die Prozesshandlungen eines Gesellschafters auch für die anderen wirken. Umso wichtiger ist, die Abstimmung und Koordination unter den Gesellschaftern, um ein konsistentes Vorgehen zu gewährleisten. Einzelne Gesellschafter können nicht isoliert agieren, ohne die Interessen der anderen zu beeinflussen.

 

Blog-Beitrag erstellt von Leon Eggenfellner.

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