Internationale Zuständigkeit bei Streitigkeit aus Bauprojekt

Internationale Zuständigkeit bei Streitigkeit aus Bauprojekt

In der folgenden Entscheidung geht es um die (internationale) Zuständigkeit bei Streitigkei-ten aus grenzüberschreitenden Bauprojekten. Unklarheit herrscht über die Frage, ob Erfüllungsort für Planungsleistungen (maßgeblich für die Zuständigkeit) der Ort der Erbrin-gung der charakteristischen Leistung ist oder der Ort an dem das Bauwerk ausgeführt wird. Endgültig entscheiden wird der OGH erst, wenn der EuGH in einem eine ähnliche Konstellation betreffenden Vorabentscheidungsverfahren seine Rechtsansicht abgegeben hat — bis dahin bleibt das Verfahren unterbrochen.

Sachverhalt

Die in Österreich ansässige Klägerin beauftragte die in Italien situierte Beklagte mit der Planung und Durchführung eines Bauprojekts in Bezug auf das von ihr betriebene Wirtshaus. Der mündlich erteilte Auftrag beinhaltete auch die örtliche Bauaufsicht. Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort wurde nicht getroffen.

Die von der Klägerin beauftragten Leistungen gliederten sich in die Planungs- und die Ausführungsphase.

Alle Planungen und Berechnungen in der Planungsphase fanden ausschließlich im Büro der Beklagten in Italien statt. Die örtliche Bauaufsicht begann mit der Bauausführungsphase vor Ort, in der auch begleitend geplant wurde. In Summe entfielen 60 % des Auftrags auf die Planungsphase und 40 % auf die Bauausführungsphase. Davon betrafen allerdings wiederum 80 bis 90 % Arbeiten im Büro am Sitz der Beklagten und nur 10 bis 20 % Leistungen vor Ort.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten vor einem österreichischen Gericht Schadenersatz wegen mangelhaft erbrachter (Planungs-)Leistungen sowie die Feststellung ihrer Haftung für alle künftigen Schäden.

Die Beklagte wendete insbesondere die fehlende internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ein.

Erste und zweite Instanz

Das Erstgericht erklärte sich für international sowie örtlich und sachlich unzuständig und wies die Klage zurück. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Ließ aber den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob es für die Ermittlung des Erfüllungsorts nach Art 7 EuGVVO 2012 (maßgeblich für die internationale Zuständigkeit) bei Planungsleistungen für ein Bauwerk auf den Ort ankomme, an dem das Bauwerk ausgeführt werde.

Internationale Zuständigkeit

Der OGH führt aus, dass im vorliegenden Fall der sachliche und zeitliche Anwendungsbereich der EuGVVO 2012 eröffnet ist.

Gemäß Art 7 Nr 1 lit b zweiter Spiegelstrich EuGVVO 2012 können Ansprüche aus einem Dienstleistungsvertrag an dem Ort eingeklagt werden, an dem die Dienstleistung vertragsgemäß erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen.

Der Erfüllungsort ist bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen autonom anhand tatsächlicher Kriterien zu bestimmen (RS0118507; RS0119733). Die Bestimmung des Erfüllungsorts ist nach Möglichkeit aus dem Vertrag selbst abzuleiten. Liegt keine ausdrückliche Erfüllungsortvereinbarung vor und kann der Erfüllungsort auch nicht sonst aus dem Vertrag bestimmt werden, ist der Ort der überwiegenden tatsächlichen Erbringung der charakteristischen Leistung maßgeblich (4 Ob 140/18v Pkt 4.6 mwN).

Bei Dienstleistungsverträgen mit mehreren Erfüllungsorten kommt es auf den Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung an (9 Ob 6/17y mwN = RS0118364 [T12]). Es kann nur an diesem Ort geklagt werden, ein Wahlrecht steht dem Kläger nicht zu. Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung ist jener Ort, an dem der Leistende die meiste Zeit tätig ist. Lässt sich dieser Ort nicht bestimmen, gilt der Ort seines Wohnsitzes als Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung (vgl Czernich in Czernich/Kodek/Mayr4 Art 7 EuGVVO Rz 27 mwN). Es kommt auf den Ort der Tätigkeit des Dienstleisters an und nicht auf jenen, wo die Dienstleistung Erfolge zeitigen soll (vgl 4 Ob 140/18v Pkt 4.6 mwN).

Im gegenständlichen Fall wurden die Dienstleistungen der Beklagten ganz überwiegend an ihrem Sitz in Italien erbracht. Abzustellen ist nämlich auf die Erbringung der Dienstleistung und nicht auf die Lieferung ihres Ergebnisses (2 Ob 179/23x Pkt 3.4).

Teile der Lehre vertreten demgegenüber die Ansicht, dass es bei Planungsleistungen für ein Bauwerk auf den Ort ankommen soll, an dem das Bauwerk ausgeführt wird. Aus der bisherigen Judikatur des EuGH lässt sich diese Rechtsansicht jedoch nicht ableiten (so schon 4 Ob 140/18v mwN).

Laut OGH könnte daher davon auszugehen sein, dass die Vorinstanzen den Erfüllungsort zutreffend als am Sitz der Beklagten und damit in Italien gelegen angenommen und damit die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts zu Recht verneint haben.

Allerdings hat der OGH in einem ähnlich gelagerten Fall im Zusammenhang mit der Entwicklung von Individualsoftware durch eine in Österreich tätige Klägerin für eine in Deutschland ansässige Beklagte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EUGH gestellt (1 Ob 73/23a).

Der EuGH soll sich mit der Frage befassen, ob sich der Erfüllungsort für die Entwicklung und den Betrieb bei einer Klage aus einem Vertrag (Individualsoftware), bei dem das Programm auf die individuellen Bedürfnisse einer in Deutschland ansässigen Bestellerin ausgerichtet ist, an dem Ort befindet

  • an dem die hinter der Software stehende geistige Schöpfung („Programmierung“) durch das in Österreich ansässige Unternehmen erbracht wird oder
  • an dem die Software die Bestellerin erreicht, also abgerufen und zum Einsatz gebracht wird?

Der vorlegende Senat erwog, dass grundsätzlich — mangels Vereinbarung bzw. vertraglicher Bestimmbarkeit — Erfüllungsort, der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung sei. Dies spricht für den Ort des Erbringens der geistigen Leistung als Erfüllungsort. Allerdings sei auf die (Literatur-) Ansicht, Bedacht zu nehmen, nach der, wenn sich eine Dienstleistung auf einen bestimmten Ort beziehe, wie zB Planungsleistungen für ein Bauwerk, der Erfüllungsort jener Ort sei, auf den sich die Dienstleistung beziehe, auch wenn sie an einem anderen Ort (etwa im Büro des Architekten) erbracht werde. Man könnte daher einwenden, dass die geistige Leistung ausschließlich auf den deutschen Markt und die rechtlichen Vorgaben in Deutschland sowie auf die individuellen Bedürfnisse der dort ansässigen Beklagten ausgerichtet sei. Die geistige Leistung habe ohne ihren Abruf und Einsatz keinen eigenständigen Wert. Diese Einwände könnten zu einem Erfüllungsort in Deutschland führen. Dafür spräche auch, dass die Gerichte am Einsatzort der Software aufgrund der Sach- und Beweisnähe, wohl besser geeignet wären, über inhaltliche Fragen der Vertragserfüllung zu entscheiden.

Auch im hier zu beurteilenden Fall hat die Anknüpfung mangels Erfüllungsortvereinbarung grundsätzlich am Ort der Erbringung der charakteristischen Leistung zu erfolgen. Dies hätte die internationale Zuständigkeit italienischer Gerichte zur Folge. Auch dagegen könnte man laut OGH einwenden, die Dienstleistungen bezögen sich zur Gänze auf das in Österreich liegende Bauobjekt der Klägerin. Auch die Beweisnähe der Gerichte am Ort des Objekts würde für eine Zuständigkeit österreichischer Gerichte sprechen.

Da die dem zu 1 Ob 73/23a gestellten Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden Erwägungen auch für den vorliegenden Rechtsfall Bedeutung haben, hat der OGH das gegenständliche Revisionsrekursverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH mit Beschluss unterbrochen.

zurück