Vandalismusschaden am KFZ: Wann tritt die Fälligkeit der Versicherungsleistung ein?

Vandalismusschaden am KFZ: Wann tritt die Fälligkeit der Versicherungsleistung ein?

Eine Klausel, wonach die Fälligkeit einer Versicherungsleistung bei Vandalismusschäden am KFZ von der Vorlage einer Reparaturrechnung abhängt, ist unzulässig und ungültig. Der gemäß § 15a Absatz 1 VersVG einseitig zwingende § 11 Absatz 1 VersVG legt fest, dass Geldleistungen des Versicherers mit der Beendigung der nötigen Erhebungen fällig werden.

Sachverhalt

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Kaskoversicherung für seinen PKW abgeschlossen, die auch Vandalismusschäden abdeckt. Nachdem das Fahrzeug an verschiedenen Aufbauteilen erhebliche Lackbeschädigungen durch mechanische Gewalteinwirkung erlitt, begehrt der Versicherte die Übernahme der Reparaturkosten in Höhe von knapp 10.000 Euro durch die Kaskoversicherung. Die Fälligkeit im Sinne des § 11 VersVG sei eingetreten, weil die Erhebungen des Versicherers abgeschlossen seien.

Die Beklagte stellt zwar nicht die Forderungshöhe in Frage, lehnt die Zahlung jedoch aus zwei Gründen ab. Zum einen liege kein Vandalismusschaden im Sinne der vereinbarten Bedingungen vor, weil zweifelhaft sei, ob der Schaden durch betriebsfremde Personen verursacht worden sei. Zum anderen sei die Fälligkeit der Versicherungsleistung nicht gegeben, weil nach Art 9 der Allgemeinen Bedingungen Parkschadenkasko (PK) 2013 die Fälligkeit der Leistung erst nach Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäße Reparatur des Fahrzeugs oder alternativ eines Nachweises über die Veräußerung des Fahrzeugs im beschädigten Zustand eintrete.

Relevante Bestimmungen der PK 2003

Artikel 1
Was ist versichert?
2. Versichert sind das Fahrzeug und seine Teile, die im versperrten Fahrzeug verwahrt oder an ihm befestigt sind, gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust

– durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen;

Artikel 5
Welche Leistung erbringt der Versicherer?
2. Versicherungsleistung bei Teilschaden
2.1. Liegt kein Totalschaden (Punkt 1.1.) vor,

leistet der Versicherer
– die Kosten der Wiederherstellung und die notwendigen einfachen Fracht- und sonstigen Transportkosten der Ersatzteile;

– die notwendigen Kosten der Bergung und Verbringung des Fahrzeuges bis zur nächsten Werkstätte, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Reparatur des Fahrzeugs in der Lage ist.

Artikel 9

Wann und unter welchen Voraussetzungen wird die Versicherungsleistung ausbezahlt? (Fälligkeit der Versicherungsleistung, Verjährung und Klagefrist)

1. Die Versicherungsleistung wird nach Abschluss der für ihre Feststellung notwendigen Erhebungen fällig. Bei Vorliegen eines Teilschadens ist Voraussetzung für die Beendigung der Erhebungen die Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäße Wiederherstellung bzw. eines Nachweises der Veräußerung in beschädigtem Zustand.

Relevante Bestimmungen des VersVG

§ 11 Abs 1

Geldleistungen des Versicherers sind mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Die Fälligkeit tritt jedoch unabhängig davon ein, wenn der Versicherungsnehmer nach Ablauf zweier Monate seit dem Begehren nach einer Geldleistung eine Erklärung des Versicherers verlangt, aus welchen Gründen die Erhebungen noch nicht beendet werden konnten, und der Versicherer diesem Verlangen nicht binnen eines Monats entspricht.

§ 15 Abs 1

Entscheidung der Unterinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage des Versicherungsnehmers ab. Dem Kläger wäre es möglich gewesen, sein Fahrzeug reparieren zu lassen und durch Einreichung der Rechnung bei der Versicherungsgesellschaft die Leistung fällig zu stellen. Einem Anspruch auf Feststellungsklage, die nachrangig zur Leistungsklage steht, fehle es an rechtlichem Interesse.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und führte aus, dass eine Vorfinanzierung im Sinne einer Kreditgewährung für die Fahrzeugreparatur nicht im Kern eines Versicherungsvertrags enthalten sei. Die Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäße Wiederherstellung sei eine zulässige Voraussetzung der Fälligkeit. Diese Bestimmung solle auch der gängigen Praxis entgegenwirken, die hohen Reparaturkosten eines Kostenvoranschlags zu kassieren und den Schaden dann günstiger „schwarz“ reparieren zu lassen.

Entscheidung des OGH

Der OGH erörterte, dass ein Abweichen von der Fälligkeitsbestimmung des § 11 Abs 1 VersVG unzulässig ist, da es sich gemäß § 15a Abs 1 VersVG um eine einseitig zwingende Bestimmung zugunsten des Versicherungsnehmers handelt (vgl 7 Ob 245/03k; 7 Ob 202/12z). Vereinbarungen, welche die Fälligkeit des Anspruchs näher ausgestalten, sind unzulässig, sofern sie im Ergebnis nicht dem gesetzlichen Maßstab der nötigen Erhebungen entsprechen. Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Aufschubklausel potentiell unzulässig, wenn sie nicht der Vorgabe der „nötigen Erhebungen“ entspricht (ua 7 Ob 245/03k: Ermittlungen zur Täterschaft in der Feuerversicherung müssen nicht abgewartet werden, wenn klar ist, dass weder der VN noch eine ihm zurechenbare Person den Brand gelegt hat).

Artikel 9.1 der PK 2013 legt die Fälligkeitsbedingungen für Versicherungsleistungen fest, die weitgehend § 11 Abs 1 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG) entsprechen. Sie werden fällig, sobald die erforderlichen Untersuchungen zur Feststellung des Versicherungsfalles abgeschlossen sind. Artikel 9.1 PK 2013 geht jedoch über diese Erfordernisse hinaus, indem er vom Versicherungsnehmer die Vorlage einer Rechnung über die fachgerechte Wiederherstellung oder eines Nachweises der Veräußerung des beschädigten Fahrzeug fordert, bevor die Untersuchungen als beendet gelten können.

Diese Vorlagepflicht übersteigt die gesetzlich vorgesehenen notwendigen Untersuchungen. Allein der Umstand, dass ein Versicherungsnehmer nach Erhalt der Versicherungsleistung den Schaden am Kraftfahrzeug doch nicht reparieren lässt, rechtfertigt für den Eintritt der Fälligkeit der Versicherungsleistung nicht die Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäß durchgeführte Reparatur. Daher sieht der OGH die Klausel als ungültige Abweichung von der gesetzlichen Regelung an, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers ist.

Weiters lehnte die Beklagte die Versicherungsleistung ab, indem sie bestritt, dass die Schäden am Fahrzeug des Klägers durch „Betriebsfremde“ entstanden sind. Nach ständiger Rechtsprechung führt eine solche endgültige Leistungsablehnung durch den Versicherer zur sofortigen Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs, erlaubt also dem Versicherungsnehmer, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen (RS0114507 [T4]). Die Ablehnung der Leistung zeigt an, dass der Versicherer die erforderlichen Ermittlungen als abgeschlossen betrachtet. Trotzdem fordert Artikel 9.1. PK 2013 zusätzlich die Vorlage einer Rechnung für die Fälligkeit der Leistung, obwohl diese durch die Leistungsablehnung bereits eingetreten ist. Diese Forderung widerspricht der zwingenden Bestimmung des § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG und ist somit ungültig.

Im Ergebnis kann sich der beklagte Versicherer nicht auf die strittige Klausel berufen, um die Fälligkeit der Versicherungsleistung zu bestreiten. Die Frage, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, wie vom Kläger behauptet und von der Beklagten bestritten, bleibt offen und muss im weiteren Verfahren geklärt werden. Der Revision wurde stattgegeben und dem Erstgericht die neuerlichen Entscheidung aufgetragen.

Blogbeitrag von Leon Eggenfellner.

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