Unfallversicherung und Berufsunfähigkeit

Unfallversicherung und Berufsunfähigkeit

Laut Zusatzvereinbarung steht hier bei Berufsunfähigkeit die volle Versicherungssumme zu. Eine zusätzliche Invaliditätsentschädigung kann nicht begehrt werden.

Sachverhalt

Der Kläger, der in einem Ziviltechnikerbüro berufstätig war, erlitt am 15. 11. 2014 einen Unfall, bei dem er bei Renovierungsarbeiten ca 1,5 m in die Tiefe stürzte und mit dem Kopf auf den Boden aufprallte, wodurch er schwer verletzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bei der Beklagten mit einer Versicherungssumme von 40.810 EUR unfallversichert.

Der Kläger erlitt bei dem Sturz eine an sich sehr schwere und organische Schädigung des Schädels, der inneren Hirnhäute, der Hirnnerven und der Gefäße des Gehirns. Die organische Schädigung des Nervensystems hat zu keiner geistigen Funktionsstörung im Sinn einer geistig-intellektuellen oder psychischen Störung geführt. Beim Kläger besteht ein altersadäquates Leistungsvermögen, es liegen keine schwerwiegenden psychischen Störungen vor, die einer beruflichen Tätigkeit im Wege stehen. Eine verantwortungsvolle geistige Arbeit bei durchschnittlichem Zeitdruck ist für den Kläger (aus klinisch-psychologischer Sicht) möglich.

Der Kläger begehrte – nach Einschränkung unter Berücksichtigung der gewidmeten (Teil-)Zahlung der Beklagten von 5.366,52 EUR – die weitere Zahlung von 48.767,95 EUR sA, und zwar als Abgeltung der Berufsunfähigkeit 40.810 EUR, Verlust Geschmackssinn (5 % der Versicherungssumme) 2.040,50 EUR, Tinnitus am linken Ohr (30 % von 15 % der Versicherungssumme) 1.836,45 EUR und psychische Funktionseinschränkungen (10 % der Versicherungssumme) 4.081 EUR.

Relevante Bestimmungen der AUVB

6. Berufungsunfähigkeit

Wird der Versicherte durch den Versicherungsfall dauernd vollständig berufsunfähig, bezahlen wir im Fall der dauernden Invalidität – unabhängig vom Invaliditätsgrad – 100 % der dafür versicherten Summe (gilt nicht für den Kompaktschutz). Ist die Leistung aufgrund der Progression höher als 100 %, erbringen wir die höhere Leistung. Diese Vereinbarung gilt nicht für Berufssportler sowie für Personen ohne Berufsausübung. Vollständige Berufsunfähigkeit bedeutet: Der Versicherte ist infolge des Unfalls voraussichtlich auf Lebenszeit überwiegend (mehr als 50 % im Vergleich mit einem körperlich und geistig Gesunden mit vergleichbaren Fähigkeiten und Kenntnissen) außerstande, seinen zum Zeitpunkt des Unfalls ausgeübten Beruf auszuüben. Diese Erwerbstätigkeit darf dann auch tatsächlich nicht mehr ausgeübt werden.

OGH-Entscheidung

Eine private Unfallversicherung im Sinn des §§ 179 ff VersVG dient der Abdeckung bestimmter Folgen eines Unfalls, insbesondere auch der eingetretenen dauernden Invalidität. Es handelt sich daher um eine Summenversicherung, weil die Leistung unabhängig vom Nachweis eines konkreten Vermögensnachteils in voller Höhe gebührt. Trotzdem dient die Invaliditätsentschädigung zumindest der pauschalen Abdeckung eines typischen Einkommensausfalls, aber eben nicht dem Ausgleich des konkreten Mehrbedarfs (RS0118777).

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist ebenfalls eine Summenversicherung, die Versicherungsleistung erfolgt dazu unabhängig vom Nachweis eines Schadens, insbesondere einer Einkommenseinbuße. Versicherte Gefahr in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der vorzeitige Rückgang oder der Verlust der beruflichen Leistungsfähigkeit (RS0112258). Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung ist es, einen sozialen Abstieg des Versicherten im Arbeitsleben und in der Gemeinschaft, das heißt im sozialen Umfeld zu verhindern (RS0111998 [T1]). Sie soll in erster Linie eine Entschädigung für Einkommenseinbußen leisten, wie sie ein erheblicher Rückgang der beruflichen Leistungsfähigkeit regelmäßig und typischerweise zur Folge hat (RS0111998 [T2]). Die Berufsunfähigkeitsversicherung hat Berührungspunkte sowohl zur Lebens- als auch zur Unfallversicherung. Das Risiko der Arbeitsunfähigkeit wird in gewissem Umfang sowohl durch die Unfall- aber auch durch die Berufsunfähigkeitsversicherung abgedeckt (7 Ob 128/14w).

Zwischen den Parteien besteht ein Unfallversicherungsvertrag. Das versicherte Risiko ist damit (nur) die dauernde Invalidität, nicht aber die Berufsunfähigkeit. Die AUVB enthalten in Art 7.6 nur eine Zusatzvereinbarung über die Berechnung der Leistung, für eine unfallbedingte dauernde Invalidität, wenn diese zusätzlich noch Berufsunfähigkeit bewirkt (7 Ob 128/14w).

Die AUVB enthalten in Art 7.6 nur eine Zusatzvereinbarung über die Berechnung der Leistung für eine unfallbedingte dauernde Invalidität, wenn diese zusätzlich noch Berufsunfähigkeit bewirkt. Dann wird die volle Versicherungssumme für dauernde Invalidität geleistet, das heißt auch dann, wenn der Invaliditätsgrad dies nicht rechtfertigen würde. Nur für den Fall, dass aufgrund der Progression die Leistung nach dem Invaliditätsgrad höher als 100 % der Versicherungssumme ist, wird diese höhere Leistung, die Versicherungssumme übersteigend erbracht (7 Ob 128/14w = RS0129730 zu Art 7.6 U500 Klipp und Klar Bedingungen für die Unfallversicherung 12/2007).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kläger könne neben der (vollen) Versicherungssumme nach Art 7.6 AUVB nicht auch noch eine Invaliditätsentschädigung nach Art 7.2 – 7.5 AUVB begehren, ist zutreffend und vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu beachten.

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