Gefahrerhöhung und Verletzung von Sicherheitsvorschriften

Gefahrerhöhung und Verletzung von Sicherheitsvorschriften

Die gegen die baubehördliche Bewilligung – und damit einer polizeilichen Sicherheitsvorschrift – verstoßende unsachgemäße Anbringung des großflächigen Glasgeländers auf einer exponierten Dachfläche stellt eine Gefahrerhöhung in der Glasbruch- und Sturmversicherung dar.

Zwischen den Streitteilen besteht eine Wohnhaus- und Eigenheimversicherung, die auch Sturmschäden umfasst.

Relevante Bestimmungen der ABS

Artikel 3 Sicherheitsvorschriften

1. Verletzt der Versicherungsnehmer gesetzliche, polizeiliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften oder duldet er ihre Verletzung, kann der Versicherer innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, die Versicherung mit einmonatiger Frist kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Verletzung bestanden hat.

2. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls und soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat oder wenn zur Zeit des Versicherungsfalles trotz Ablaufes der in Abs 1 beschriebenen Frist die Kündigung nicht erfolgt war.

3. Im Übrigen gelten § 6 Abs 1, 1a und 2 VersVG. Ist mit der Verletzung einer Sicherheitsvorschrift eine Gefahrenerhöhung verbunden, finden ausschließlich die Bestimmungen über die Gefahrenerhöhung, nicht die Regelungen des Abs 2 Anwendung.

Sachverhalt

Die Kläger errichteten nachträglich auf dem flachen Dach einer bestehenden Garage eine vom Wohnhaus aus zugängliche Terrasse, deren Geländer aus Metall und Glasfelder aus Sicherheitsglas bestand. Entgegen den Auflagen in der baubehördlichen Bewilligung erfolgte die Ausführung nicht entsprechend den statischen Erfordernissen durch befugte Unternehmer unter Einhaltung des Baugesetzes, der Bautechnikerverordnung sowie der geltenden Normen und Unfallverhütungsvorschriften. Vielmehr wurde die Montage des Geländers vom Zweitkläger ohne jegliche Fachkenntnisse in Eigenregie mittels unzureichender Holzverschraubung durchgeführt. Die unsachgemäße Montage war kausal dafür, dass das Geländer der am Unfallstag aufgetretenen Windstärke nicht Stand hielt.

OGH-Entscheidung

Unter „polizeilichen Sicherheitsvorschriften“ im Sinn des Art 3.1 ABS sind jedenfalls Verwaltungsakte von Hoheitsträgern, soweit sie die jeweils versicherte Gefahr verhindern wollen, zu verstehen. Es ist von einem weiten Begriff der „Polizei“ auszugehen (7 Ob 246/98x).

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Gefahrenerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen (RS0080357, RS0080237). Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (RS0080491, vgl auch RS0080428). Dem Versicherungsnehmer muss klar sein, dass seine Verhaltensweise geeignet ist, die Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls zu vergrößern. Es muss ihm zumindest ein der positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen um die Gefahrenerhöhung anzulasten sein (insbesondere 7 Ob 14/18m mwN).

Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften sind die wichtigste Gruppe von Gefahrenerhöhungen.  Die Leistungspflicht des Versicherers bei Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs 1 VersVG bleibt gemäß § 25 Abs 2 VersVG bestehen, wenn die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers beruht (vgl 7 Ob 14/86).

Die gegen die baubehördliche Bewilligung – und damit einer polizeilichen Sicherheitsvorschrift – verstoßende unsachgemäße Anbringung des großflächigen Glasgeländers auf einer exponierten Dachfläche in Eigenregie habe die Wahrscheinlichkeit für den Versicherungsfall in der Glasbruch- und Sturmversicherung erhöht, weshalb den Klägern die Vornahme einer Gefahrenerhöhung im Sinn des – § 23 Abs 1 VersVG entsprechenden – Art 2.1 Satz 1 ABS schuldhaft anzulasten sei. Nach den ausschließlich anzuwendenden Bestimmungen über die Gefahrenerhöhung (vgl Art 3.3 ABS) besteht Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 25 Abs 1 VersVG bereits aufgrund der schuldhaften Erhöhung der Gefahr im Sinn des § 23 Abs 1 VersVG, wobei bereits leichte Fahrlässigkeit schadet (vgl 7 Ob 14/86).

Anmerkung

Die Bestimmung des Artikel 3 ABS zu den Sicherheitsvorschriften ist sehr interessant: Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine vertragliche Obliegenheit, deren vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung schadet. Aufgrund der hier vorlegenden Gefahrerhöhung kam jedoch Art 3 Absatz 3 und somit ausschließlich die Bestimmungen über die Gefahrerhöhung zur Anwendung, sodass den Vesicherungsnehmern auch leichte Fahrlässigkeit geschadet hat.

Gegenständlich war in den Zusatzbedingungen ein Verzicht auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls enthalten. Wie der OGH richtig ausführt, hat dies mit dem gegenständlichen Fall aber nichts zu tun.

Vgl. auch versdb 2021, 24 – versdb.com

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