Betriebsunterbrechung und COVID-19: Schaden trotz Lockdown?

Betriebsunterbrechung und COVID-19: Schaden trotz Lockdown?

Nur der tatsächlich durch die Betriebsunterbrechung verursachte Unterbrechungsschaden wird ersetzt. Bei der Berechnung des Unterbrechungsschadens (Ertragsausfall) ist der hypothetische Kausalverlauf ohne (gedeckten) Unterbrechungsgrund heranzuziehen. Aufgrund des Lockdowns hätte die VN sowieso keinen Ertrag gehabt, weshalb auch kein Anspruch auf Versicherungsleistung besteht.

Sachverhalt

Die Klägerin, die ein Gastgewerbe betreibt, erfuhr am 14.3.2020, dass zwei bei ihr untergebracht gewesene Gäste in Dänemark positiv auf COVID-19 getestet worden seien. Dies meldete sie über die Telefon-Hotline 1450. Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz erklärte der Klägerin daraufhin fernmündlich, dass sie sich sofort in Quarantäne begeben müsse. Aufforderungsgemäß gab sie der Bezirkshauptmannschaft ihre damaligen Dienstnehmer bekannt. Ihr wurde fernmündlich von der Bezirkshauptmannschaft angeraten, den Betrieb sofort zu schließen. Eine Schließung des Betriebs mittels Bescheid wurde nicht angeordnet. Die Klägerin schloss ihren Betrieb, sie hatte auch keine Beschäftigten mehr zu Verfügung, ein Teil war in Quarantäne, der andere abgereist. Der Klägerin selbst und ihren Mitarbeitern sei mit Absonderungsbescheiden die Tätigkeit im Betrieb bis zum 29. 3. 2020 untersagt worden, weshalb allein deswegen Versicherungsschutz bestehe und woraus sich ein Schließungszeitraum von 16 Tagen errechne.

Sie begehrt dafür Leistung aus der Betriebsunterbrechungsversicherung.

Relevante Bestimmungen der AVB

Seuchen – Betriebsunterbrechung

3.4. Auf Grund besonderer Vereinbarung gelten Unterbrechungsschäden – auch ohne Vorliegen eines Sachschadens gemäß Teil B 4- in Fällen, in denen

– der im Antrag bezeichnete Betrieb von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen wird,

– die Entseuchung, Vernichtung oder Beseitigung von Waren in diesem Betrieb angeordnet wird, weil anzunehmen ist, dass sie mit Seuchenerregern behaftet sind;

– in diesem Betrieb beschäftigte[n] Personen ihre Tätigkeit wegen Erkrankung an Seuchen, entsprechenden Krankheits- oder Ansteckungsverdachts oder als Ausscheider / Ausscheidungsverdächtiger von Erregern von Enteritis infectiosa, Paratyphus A und B, übertragbarer Ruhr und Typhus abdominalis untersagt wird.

Seuchen im Sinn dieses Risikos sind beispielsweise folgende Krankheiten: […]

11. Unterbrechungsschaden, Entschädigung

11.1.1 Als Unterbrechungsschaden gilt der durch die Betriebsunterbrechung tatsächlich entgangene Deckungsbeitrag, abzüglich der ersparten versicherten Kosten, zuzüglich Schadenminderungskosten.

11.1.2 Bei der Ermittlung des entgangenen Deckungsbeitrages sind alle jene Umstände zu berücksichtigen, die dessen Höhe auch ohne Betriebsunterbrechung beeinflusst hätten, z.B. die technischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des versicherten Betriebes, vorgesehene Veränderungen im versicherten Betrieb, die Marktlage, regionale und weltweite Konjunkturkrisen, Auswirkungen von höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Boykott, Konkurs oder Ausgleich des Versicherungsnehmers.

OGH-Entscheidung

darin aufgezählten Seuchen könnten sich einerseits auf den versicherten Betrieb beziehen, regional begrenzt oder – wie im vorliegenden Fall – großflächig auftreten.

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist die COVID-19-Pandemie als „Seuche“ zu werten, weshalb dies wahrscheinlich deswegen hier nicht mehr behandelt wurde (zu § 1104 ABGB – RS0133812).

Im Revisionsverfahren wird nicht mehr angezweifelt, dass der Versicherungsfall nach Art 3.4. dritter Fall der Besonderen Bedingung aufgrund der Unterbrechung des Betriebs wegen der Absonderung der Klägerin und der Mehrzahl ihrer Mitarbeiter im Zeitraum 14. 3. bis 27. 3. 2020 eingetreten ist. Strittig ist jedoch weiterhin, ob diese Betriebsunterbrechung zu einem Unterbrechungsschaden führte.

Aus Art Teil B.11.1.1 AVB folgt eindeutig, dass nur der tatsächlich durch die Betriebsunterbrechung verursachte Unterbrechungsschaden ersetzt wird; Art Teil B.11.1.2 AVB führt die bei der Ermittlung des Deckungsbeitrags zu berücksichtigenden Umstände an. Die Beklagte hat damit die Betriebsunterbrechungsversicherung als Schadensversicherung konzipiert (§ 1 VersVG). Sie hat es nach den Versicherungsbedingungen übernommen, den beim Versicherungsnehmer (tatsächlich) durch die versicherte Unterbrechung eingetretenen Schaden nach Maßgabe des Vertrags zu decken.

Daraus folgt, dass bei der Berechnung des Unterbrechungsschadens (Ertragsausfall) der hypothetische Kausalverlauf ohne (gedeckten) Unterbrechungsgrund heranzuziehen ist. Dabei kann etwa zu berücksichtigen sein, dass der Ertrag aufgrund wirtschaftlich schlechter Lage auch ohne Betriebsunterbrechung zurückgegangen wäre. Dem Versicherungsnehmer wird nicht ein gewisser Ertrag garantiert, sondern nur ersetzt, was ihm ohne Unterbrechung nicht entgangen wäre. Abzudecken ist jener Schaden, der dem Versicherungsnehmer durch die Unterbrechung entstanden ist. Die inkriminierte Klausel ist nicht gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB.

Da nach den Feststellungen die Klägerin keinen Umsatz hätte erzielen können (Lockdown), selbst wenn keine versicherte Betriebsunterbrechung nach Art 3.4. der Besonderen Bedingung vorgelegen wäre, war das Deckungsbegehren abzuweisen.

zurück