Kaskoversicherung – Handbremse nicht angezogen

Kaskoversicherung – Handbremse nicht angezogen

Selbst ein Verstoß gegen Schutzgesetze wie etwa die StVO bedeutet als solcher nicht schon grobe Fahrlässigkeit, sondern muss der ohne Zweifel objektiv besonders schwere Verstoß auch subjektiv schwerstens vorwerfbar sein.

Sachverhalt

Am 7. August 2020 stellte der Kläger sein Fahrzeug auf einem Abstellplatz vor einem Fischteich ab und verließ es, ohne den ersten Gang ordnungsgemäß einzulegen und ohne die Parkbremse zu aktivieren. Als er das Fahrzeug verließ, war keine Bewegung erkennbar. Er ging zu einer Kollegin, um ihr einen USB-Stick zu geben und ließ das Fahrzeug für diesen Zeitraum von ein paar Minuten unbeaufsichtigt. Währenddessen löste sich der erste Gang und das Fahrzeug rollte in den Teich. Bei dem hier bestehenden Gefälle von 3 % bis 6 % hätte sowohl die elektronische Parkbremse als auch das ordnungsgemäße Einlegen der ersten Getriebestufe für sich allein ein Wegrollen des Fahrzeugs verhindert.

OGH-Entscheidung

Im Allgemeinen ist grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist (RS0030644). Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist nicht die Zahl der übertretenen Vorschriften, sondern die Schwere der Sorgfaltsverstöße und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (RS0085332). Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RS0030272). In diesem Sinn ist für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (RS0030331 [T6]; RS0080371 [T1]).

Gemäß § 23 Abs 5 StVO ist der Lenker eines Kraftfahrzeugs verpflichtet, dieses vor dem Verlassen so zu sichern, dass es nicht abrollen kann. Welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um das Abrollen eines Fahrzeugs zu verhindern, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0075129). Selbst ein Verstoß gegen Schutzgesetze wie etwa die StVO bedeutet als solcher nicht schon grobe Fahrlässigkeit, sondern muss der ohne Zweifel objektiv besonders schwere Verstoß auch subjektiv schwerstens vorwerfbar sein (RS0111723).

Im vorliegenden Fall ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es liege kein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers vor, nicht korrekturbedürftig, weil bei dem hier bestehenden geringen Gefälle schon das ordnungsgemäße Einlegen des ersten Gangs ohne zusätzliche Aktivierung der elektronischen Parkbremse ein Wegrollen verhindert hätte und für den Kläger nichts darauf hindeutete, dass er den ersten Gang nicht ordnungsgemäß eingelegt hatte. Mangels Erkennbarkeit dieses Umstands kann vom Kläger aber auch nicht eine Kontrolle durch nochmaliges Einlegen des Gangs verlangt werden.

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