Wer ist aller mitversicherter Arbeitnehmer?

Wer ist aller mitversicherter Arbeitnehmer?

Als mitversicherte Arbeitnehmer sind auch Personen anzusehen, mit denen der VN keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, wenn sie eine betriebliche Tätigkeit wie dessen eigene Arbeitnehmer ausüben, sie in den versicherten Betrieb organisatorisch eingegliedert sind und dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des VN unterliegen, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht

Eine ARGE beauftragte eine Baugesellschaft mit der Beistellung eines Zwei-Wege-Baggers samt Fahrer für eine Eisenbahntunnel-Baustelle. Als Baggerfahrer wurde der bei dieser Baugesellschaft beschäftigte Kläger beigestellt. Durch einen Unfall beim Rangieren des „eingegleisten“ (auf den Schienenstrang aufgesetzten), vom Kläger geführten Baggers wurde einem anderen für die ARGE tätigen Arbeiter ein Bein abgetrennt.

Der Kläger begehrte unter anderem von der Betriebshaftpflichtversicherung der ARGE Deckung für jene Schäden, welche er dem verunfallten Kollegen zu ersetzen hat. Er sei zwar formal Arbeitnehmer des mit der Beistellung des Baggers beauftragten Bauunternehmens, zum Unfallszeitpunkt aber in den Betrieb der ARGE eingegliedert gewesen. Ein Polier der ARGE hätte ihn angewiesen, wie seine Arbeiten vorzunehmen seien.

Die Beklagte wendet unter anderem ein, zwar seien durch einen sekundären Risikoeinschluss Personenschäden durch Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs mitversichert, der Kläger sei jedoch nicht Arbeitnehmer des versicherten Betriebs gewesen.

Relevante Bestimmungen der EHVB

Abschnitt A: Allgemeine Regelungen für alle Betriebsrisken

1.3. Mitversichert sind im Rahmen der Punkte 1. und 2. Schadenersatzverpflichtungen

1.3.1 der gesetzlichen Vertreter des Versicherungsnehmers und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat;

1.3.2 sämtlicher übriger Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtung verursachen, jedoch unter Ausschluss von Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt.

Die im Betrieb mittätigen Angehörigen […] des Versicherungsnehmers sind gemäß Pkt. 1.3.1 oder 1.3.2 auch ohne Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mitversichert.

Außerdem wurde ergänzend vereinbart:

„Abweichend von Abschnitt A, Z 1, Pkt 3.2 EHVB gelten Personenschäden, auch wenn es sich um Arbeitsunfälle im Sinne der Sozialversicherungsgesetze unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes handelt, als mitversichert, wenn der unfallbedingte Krankenstand der geschädigten Person 14 Tage übersteigt. Diese Deckungserweiterung gilt nicht für Sozialversicherungsregresse.“

Entscheidung der Unterinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage schon aufgrund des Klagsvorbringens ab. „Arbeitnehmer“ sei so zu verstehen, dass dies nur Personen mit einer direkten arbeitsvertraglichen Grundlage mit dem Versicherungsnehmer umfasse und eine bloße Eingliederung nicht ausreiche; eine solche direkte vertragliche Grundlage sei auch vom Kläger nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sei der Auslegung zu folgen, wonach der Arbeitnehmerbegriff kein formelles Dienst- oder Angestelltenverhältnis voraussetze, sodass auch „Quasiarbeitnehmer“ einbezogen seien.

OGH-Entscheidung

Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichtes. Sinn und Zweck einer Betriebshaftpflichtversicherung ist es, alle Haftpflichtgefahren, die dem versicherten oder mitversicherten Betriebsangehörigen aus dem betreffenden Betrieb erwachsen können, unter Versicherungsschutz zu stellen. Das Betriebshaftpflichtrisiko ist daher nicht nur auf typische Betriebsgefahren beschränkt, sondern umfasst im Hinblick auf die Vielfalt der mit einem Betrieb verbundenen Haftpflichtgefahren grundsätzlich alle Tätigkeiten, die mit diesem Betrieb in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehen (RS0081009).

Die Betriebshaftpflichtversicherung erstreckt sich kraft Gesetzes (§ 151 Abs 1 VersVG) auf die Haftpflicht der Vertreter des Versicherungsnehmers sowie auf die Haftpflicht solcher Personen, welche er zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder eines Teils des Betriebs angestellt hat. Dem entspricht auch Abschn A Z 1.3.1 EHVB 2004. Solche Personen, die der Versicherungsnehmer zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebs oder eines Teils desselben beschäftigt hat, bezeichnet § 333 Abs 4 ASVG als „Aufseher im Betrieb“ (7 Ob 52/21d).

Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 erweitert den Kreis der Mitversicherten über den genannten Kreis hinaus zusammengefasst auf alle anderen Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtung verursachen, schließt jedoch Personenschäden aus, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt.

Die hier ergänzend vereinbarten Bedingungen erweitern wiederum die Deckung auf solche Personenschäden aufgrund von Arbeitsunfällen im Sinn der Sozialversicherungsgesetze unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs, wenn – wie unstrittig im vorliegenden Fall – der unfallbedingte Krankenstand des Geschädigten 14 Tage übersteigt.

Für den in den EHVB verwendeten Begriff Arbeitnehmer wird im Schrifttum vertreten, dass ein formelles Dienst- oder Angestelltenverhältnis nicht erforderlich sei; versichert seien auch „Quasiarbeitnehmer“, also Personen, die eine betriebliche Tätigkeit ausübten, wie dies sonst ein Arbeitnehmer tue, auch wenn es nur vorübergehend geschehe. Wenn der Versicherungsnehmer Arbeitskräfte von einem anderen Betrieb ausleihe, seien diese Arbeitskräfte mitversichert, wenn sie in den versicherten Betrieb organisatorisch eingegliedert sind und dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des Versicherungsnehmers unterliegen (Maitz, AHVB/EHVB [2018] 270). Dies entspricht auch der Rechtsprechung zu den Sozialversicherungsgesetzen, die in den hier auszulegenden Versicherungsbedingungen ausdrücklich angesprochen werden.

Laut OGH ist die Formulierung des Ausschlusses nach Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004, wonach Personenschäden ausgeschlossen sind, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt, dahin zu verstehen, dass er in den Betrieb eingegliederte „Quasi-Arbeitnehmer“ einschließt. Die Wortfolge „iSd Sozialversicherungsgesetze“ bezieht sich auf Arbeitsunfälle ebenso wie auf Arbeitnehmer.

Mit diesem Ergebnis steht im Einklang, dass der Fachsenat auch in Ansehung des Aufsehers im Betrieb nach § 333 Abs 4 ASVG ausgesprochen hat, dass es für die Mitversicherung iSv § 151 VersVG und Abschn A Z 1.3.1 EHVB keiner ständigen Beauftragung oder Dauerfunktion im Betrieb bedarf, sondern auch hier eine einzelfallbezogen zu beurteilende tatsächliche mit Weisungsbefugnis ausgestattete Machtposition genügt (7 Ob 52/21d).

Es kann keine Rede davon sein, dass die klarstellende uneingeschränkte Einbeziehung von – aus welchen Gründen und in welcher Form immer, allenfalls auch ohne „Eingliederung“ oder persönliche Abhängigkeit – im Betrieb mittätigen Angehörigen sinnentleert würde, wenn generell „Quasi-Arbeitnehmern“ Deckung zukommt.

Anmerkungen

Diese Erweiterung des Begriffs des Arbeitnehmers steht auch im Einklang mit der Entscheidung 7 Ob 52/21d, wonach für die Mitversicherung des sogenannten Aufsehers im Betrieb es keiner ständigen Beauftragung oder Dauerfunktion bedarf, sondern auch der „ad hoc Aufseher“ mitversichert ist. Die Mitversicherung ist für die Arbeitnehmer sehr wichtig, weil sie dadurch auch Abwehrdeckung gegen einen allfälligen (aber nicht immer berechtigten) Regress des Sozialversicherers haben. Da gemäß § 7 Abs. 1 AÜG zwischen dem Beschäftiger und der überlassenen Arbeitskraft auch die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes gelten, ist natürlich fraglich, ob der Kläger überhaupt persönlich in Anspruch genommen wird, sofern er nicht grob fahrlässig gehandelt hat. (vgl. Kommentar Reisinger in AssCompact)

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