Bindungswirkung Haftpflichtprozess – Einwendungen

Bindungswirkung Haftpflichtprozess – Einwendungen

Die Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses, dass die Ersatzpflicht des Versicherten nach Bestand und Betrag im Deckungsprozess gegen den Versicherer nicht nachgeprüft werden darf, gilt nicht für die aus dem Versicherungsverhältnis resultierende Einwendung der Leistungsfreiheit aufgrund der Verletzung von Obliegenheiten.

Sachverhalt

Der Kläger als Geschädigter hat gegen die E&S (Versicherungsnehmerin) durch deren Untätigkeit ein Versäumungsurteil erwirkt und sich aufgrund dessen den Deckungsanspruch pfänden und überweisen lassen, um gegen die Beklagte (Versicherer) vorgehen zu können.

Die Versicherungsnehmerin hatte mit der Beklagten eine Versicherungs-Rahmenvereinbarung zur Vermögensschadenhaftpflicht für Wertpapiervermittler und Vermögensberater der Kooperationspartner abgeschlossen.

Relevante Bestimmungen der ABHV

Artikel 9 Verhalten des Versicherungsnehmers während der Laufzeit des Vertrages

1 Obliegenheiten

Als Obliegenheiten, deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 6 VersVG bewirkt, werden bestimmt:

1.4 Der Versicherungsnehmer hat den Versicherer umfassend und unverzüglich spätestens innerhalb einer Woche ab Kenntnis zu informieren und zwar schriftlich, falls erforderlich auch fernmündlich oder fernschriftlich.

Insbesondere sind anzuzeigen

1.4.1 der Versicherungsfall

1.4.2 die Geltendmachung einer Schadenersatzforderung

1.4.4 alle Maßnahmen Dritter zur gerichtlichen Durchsetzung von Schadenersatzforderungen

1.5. Der Versicherungsnehmer hat den Versicherer bei der Feststellung und Erledigung oder Abwehr des Schadens zu unterstützen.

1.5.3 Der Versicherungsnehmer ist nicht berechtigt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Schadenersatzanspruch ganz oder zum Teil anzuerkennen – es sei denn, der Versicherungsnehmer konnte die Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern – oder zu vergleichen.

OGH-Entscheidung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stehen im Rechtsstreit des Geschädigten gegen den Versicherer diesem dann alle Einwendungen wie gegen den Versicherungsnehmer offen, vor allem jene der Leistungsfreiheit. Das vom Geschädigten gegen einen Versicherungsnehmer erwirkte Versäumungsurteil hat mangels Aufforderung zum Streitbeitritt keine Bindungswirkung zum Nachteil des Versicherers und führt nicht zu einem Verlust von Einwendungen, die diesem gegen den Versicherungsnehmer zustehen (3 Ob 152/20d; 7 Ob 181/20y; 7 Ob 152/20h; 7 Ob 153/20f; 7 Ob 149/20t; 7 Ob 204/19d mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung hat das im Haftpflichtprozess ergangene Urteil mit Rücksicht auf die Rechtsnatur und den Zweck des Haftpflichtversicherungsvertrags nämlich nur die Bindungswirkung, dass die Ersatzpflicht des Versicherten nach Bestand und Betrag im Deckungsprozess gegen den Versicherer nicht nachgeprüft werden darf (RS0041315 [T4]; 7 Ob 125/18k).

Die Bindungswirkung gilt aber nicht für die aus dem Versicherungsverhältnis resultierende Einwendung der Leistungsfreiheit aufgrund der Verletzung der Obliegenheiten gemäß Art 9.1.4.1, 9.1.4.2, 9.1.4.4 sowie 9.1.5.3 C_ABHV/EBHV (vgl 7 Ob 51/83 = VersR 1985, 51; BGH VersR 1978, 1105), weil die Beklagte diese im Haftpflichtprozess gegen die E&S gar nicht wirksam erheben hätte können (vgl RS0035474).

Gegenständlich wurde jedenfalls die Obliegenheit verletzt, nicht ohne Zustimmung des Versicherers den Schadensanspruch anzuerkennen – was auch durch Ergehenlassen eines Versäumungsurteils erfolgen kann (vgl RS0080453), wusste doch der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin in diesem Zeitpunkt nicht einmal, ob der Anspruch des Klägers zu Recht bestand, und ließ dennoch das Versäumungsurteil ergehen.

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