Überprüfungsverfahren lt. GesAusG – Verzinsung der Barabfindung

Überprüfungsverfahren lt. GesAusG – Verzinsung der Barabfindung

Im Verfahren über die Höhe der Barabfindung des ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafters sind keine individuellen, ziffernmäßig bestimmten Leistungszusprüche vorzunehmen. Ein Ausspruch über die Verzinsung ist im Überprüfungsverfahren nicht vorzunehmen.

Die Antragsgegnerin war Hauptgesellschafterin iSd § 1 Abs 2 GesAusG einer AG. Die Hauptversammlung der Gesellschaft beschloss auf Verlangen der Antragsgegnerin den Ausschluss der übrigen Aktionäre gemäß §§ 1 ff GesAusG. Die Barabfindung je Aktie wurde durch den gemeinsamen Bericht des Vorstands der Gesellschaft und der Antragsgegnerin mit 5,80 EUR festgelegt. Insgesamt 20 Minderheitsaktionäre stellten Anträge auf Überprüfung der Barabfindung , die darauf abzielten, das Gericht möge eine höhere als die gewährte Barabfindung als angemessen festsetzen.

Entscheidung der Unterinstanzen

Das Erstgericht ordnete die Einholung eines Gutachtens des Gremiums zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses zur Überprüfung der angebotenen Barabfindung gemäß § 225g AktG an. Dieses holte ein Gutachten eines Sachverständigen ein. Zum Bewertungsstichtag sei ein erheblicher Anteil des Konzernvermögens auf Finanzvermögen entfallen. Der wesentlichste Vermögenswert sei eine Beteiligung der Gesellschaft an einer deutschen börsennotierten Aktiengesellschaft (künftig: Beteiligungsgesellschaft). Es werde daher zunächst festgestellt, welcher Wert der Beteiligungsgesellschaft sich bei einer Stichtagsbetrachtung und bei einer Durchschnittsbetrachtung ergebe und wie sich diese Bewertungen auf den Wert der Aktien der vom Gesellschafterausschluss betroffenen Gesellschaft auswirkten. Danach sei zu beurteilen, welche Methode angemessen sei.

Die Heranziehung des sechsmonatigen gewichteten durchschnittlichen Börsenkurses der Aktie der Beteiligungsgesellschaft führe zu einer Bewertung der Aktie der Gesellschaft mit 6,78 EUR. Bei Heranziehung des Stichtagskurses zum 20. 11. 2015 ergebe sich ein Wert der Aktie der Gesellschaft von 7,88 EUR. Der vom Gremium bestellte Sachverständige sprach sich für den Beobachtungszeitraum von sechs Monaten aus.

Das Erstgericht sprach aus, die angebotene Barabfindung von 5,80 EUR je Aktie sei nicht angemessen, setzte die Barabfindung mit 7,88 EUR je Aktie zuzüglich Zinsen von zwei Prozentpunkten jährlich über dem jeweils geltenden Basiszinssatz ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zur Fälligkeit fest und sprach aus, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, einen Ausgleich durch bare Zuzahlung von 2,08 EUR je Aktie der Gesellschaft zuzüglich Zinsen in der genannten Höhe zu leisten. Der Wert der Gesellschaft sei unter Zugrundelegung der tagesaktuellen Bewertung der Beteiligungsgesellschaft zu ermitteln.

Das Rekursgericht änderte den angefochtenen Beschluss ab, und sprach aus, die Antragsgegnerin habe zu der gewährten Barabfindung von 5,80 EUR je Aktie einen Ausgleich durch bare Zuzahlung von 0,98 EUR je Aktie zu leisten. Zu der – in dritter Instanz noch strittigen – Behandlung der Beteiligungsgesellschaft sah das Rekursgericht keinen Grund, von einer Durchschnittsbetrachtung des Börsenkurses abzuweichen. Zur Frage, welcher Börsenkurs heranzuziehen sei, sei zu berücksichtigen, dass die Ankündigung einer Abfindung den Börsenkurs beeinflusse. Daher komme es auf keinen Stichtag an, sondern es sei analog § 26 ÜbG eine nach den jeweiligen Handelsvolumina gewichtete Durchschnittsbetrachtung von sechs Monaten, endend mit dem Tag der Bekanntmachung des Gesellschafterausschlusses, vorzunehmen.

OGH-Entscheidung

Der OGH hat sich mit drei wesentlichen Fragen befasst:

  • Sind Ansprüche im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung zu titulieren?
  • Ist im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung über Zinsen abzusprechen?

In Deutschland besteht Einigkeit darüber, dass die Entscheidung über die Angemessenheit der Barabfindung keinen Volstreckungstitel bildet. Das Gericht stellt lediglich fest, welche bare Zuzahlung angemessen ist. Die Antragsteller müssen ihre Ansprüche jeweils einzeln im streitigen Verfahren mit einer Leistungsklage geltend machen. Über die Verzinsung ist im Spruchverfahren (Überprüfungsverfahren) nach überwiegender Ansicht nicht abzusprechen.

Mit der Frage, ob die vom Rekursgericht festgestellte Barabfindung angemessen ist, hat er sich nur noch am Rande befasst, und hier die Entscheidung des Rekursgerichtes bestätigt.

Zur Titulierung von Ansprüchen im Verfahren zur Überpürfung der Barabfindung

Nach § 6 Abs 1 GesAusG kann die Anfechtung des Beschlusses über den Gesellschafterausschluss nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist. Nach § 6 Abs 2 GesAusG hat die Überprüfung der Barabfindung im außerstreitigen Verfahren nach den §§ 225c ff AktG zu erfolgen. Die nach § 6 Abs 2 GesAusG für die Überprüfung der Barabfindung anzuwendenden §§ 225c ff AktG enthalten aber keine ausdrückliche, dem § 16 dSpruchG vergleichbare Anordnung des streitigen Rechtswegs für die Geltendmachung des individuell zustehenden Anspruchs auf bare Zuzahlung.

Es gibt bis dato keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Qualität des im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung nach § 6 Abs 2 GesAusG iVm §§ 225c ff AktG zu treffenden Ausspruchs. Allein dem Gesetzeswortlaut kann keine klare Stellungnahme zur Frage entnommen werden, ob im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung – soweit es sich um bekannte Aktionäre handelt – tunlichst ein Exekutionstitel zu schaffen ist oder nicht. Entscheidend ist daher der Zweck des außerstreitigen Überprüfungsverfahrens. Die Festsetzung einer für alle Beteiligten bindenden Abfindungshöhe soll durch das Gremialverfahren des § 225g AktG befördert werden, indem ein sachkundiges und der Praxis nahe stehendes Gremium zur Beantwortung der Bewertungsfragen vorgesehen ist. Das Überprüfungsverfahren nach § 6 Abs 2 GesAusG iVm den dort verwiesenen Bestimmungen der §§ 225c ff AktG verfolgt insgesamt den Zweck, die Frage der Angemessenheit der Barabfindung mit Wirkung für die Gesellschaft und alle Gesellschafter zu beantworten. Der erfolgreiche Antrag führt zu einer Anpassung des Beschlussinhalts im Umfang der angemessenen Festlegung der Barabfindung.

Das Überprüfungsverfahren zielt hingegen nicht auf die individuelle Anspruchsdurchsetzung ab. Die Erörterung der individuellen Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den einzelnen Gesellschaftern, samt der Beurteilung allfälliger, auf die Person der jeweiligen Antragsteller abzielender Einreden liefe dem Verfahrenszweck, für alle Beteiligten rasch Klarheit über die Höhe der Barabfindung zu schaffen, zuwider. 6 Abs 2 GesAusG ist daher dahin auszulegen, dass nur die Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung, nicht aber die Beurteilung individueller Ansprüche, in das außerstreitige Überprüfungsverfahren nach § 225c ff AktG verwiesen wird. Die Meinungen in der Literatur, wonach im Überprüfungsverfahren nach §§ 225c ff AktG tunlichst Exekutionstitel zugunsten der bekannten Gesellschafter zu schaffen sind, überzeugt den OGH nicht.

Zum Ausspruch über die Verzinsung

Das Überprüfungsverfahren dient der Klärung von Bewertungsfragen, auf deren Grundlage die Höhe der angemessenen Barabfindung mit erga omnes-Wirkung festzusetzen ist. Es ersetzt funktionell eine Anfechtung des Ausschlussbeschlusses in einem Bestandteil. Die Verzinsung der Barabfindung und der im Überprüfungsverfahren festgelegten baren Zuzahlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 2 Abs 2 Satz 2, § 6 Abs 2 Satz 3 GesAusG). Die Verzinsung ist daher nicht Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung der Barabfindung.

Zur Höhe der Zinsen und zur Verjährung

Nach § 2 Abs 2 Satz 2 GesAusG ist die Barabfindung ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zur Fälligkeit mit jährlich zwei Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz zu verzinsen. Die Barabfindung ist zwei Monate nach dem Tag fällig, an dem die Eintragung des Ausschlusses gemäß § 10 UGB als bekannt gemacht gilt (§ 2 Abs 2 Satz 1 GesAusG), also zwei Monate nach der Veröffentlichung des Beschlusses in der Ediktsdatei. Aus dem Gesetzeswortlaut im Zusammenhalt mit den Materialien ergibt sich die gesetzgeberische Intention, die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre auch hinsichtlich der Verzinsung so zu stellen, als wäre ihnen von Anfang an eine Barabfindung in angemessener Höhe gewährt worden. Daher haben die ausgeschlossenen Gesellschafter auch für den Zuzahlungsbetrag Anspruch auf Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zwei Monate nach dem Tag der Veröffentlichung des Beschlusses in der Ediktsdatei.

Für den darauf folgenden Zeitraum sind  für den Fall der nicht rechtzeitigen Auszahlung der Barabfindung Verzugszinsen geschuldet. Allfällige Verzugszinsen sind jedoch nicht von § 2 Abs 2 GesAusG erfasst. Es kommen vielmehr die gesetzlichen Verzugszinsen zur Anwendung, nämlich einheitlich der Verzugszinssatz des § 1000 Abs 1 ABGB. Der Vorgang des Gesellschafterausschlusses ist – auch wenn es sich beim Minderheitsgesellschafter um einen institutionellen Anleger handelt – einem beiderseitigen unternehmensbezogenen Geschäft nicht gleich zu halten. Für die Anwendung des § 456 UGB besteht daher kein Raum.

Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis mehr entgegen steht. Erst durch die rechtskräftige Entscheidung im Überprüfungsverfahren wird der Beschlussinhalt des Ausschlussbeschlusses hinsichtlich der Höhe der je Stückaktie (oder je Aktie zu einem bestimmten Nennwert) geschuldeten Barabfindung angepasst. Die rechtskräftige Entscheidung im Überprüfungsverfahren ist damit Voraussetzung der Geltendmachung des individuellen, ziffernmäßig bestimmten Anspruchs auf bare Zuzahlung (samt den daraus gebührenden Zinsen) durch den einzelnen ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafter. Vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Überprüfungsverfahren kann daher der Lauf der Verjährungsfrist für die aus der baren Zuzahlung geschuldeten Zinsen nach dem GesAusG sowie allfälliger Verzugszinsen nicht einsetzen.

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