Analoge Anwendung des § 237 AktG auf die GmbH

Analoge Anwendung des § 237 AktG auf die GmbH

Wird das „ganze“ Gesellschaftsvermögen der GmbH auf einen Dritten übertragen, ist nach § 273 AktG analog die Zustimmung der Generalversammlung mit 75 Prozent einzuholen.

Eine GmbH (Erstbeklagte), vertreten durch ihre geschäftsführende Gesellschafterin (Zweitbeklagte), schloss einen Unternehmenskaufvertrag, mit welchem die GmbH alle ihre Aktiva um € 480.000,- veräußerte. Die Käuferin übernahm keine Verbindlichkeiten der verkaufenden GmbH. Die Verbindlichkeiten der GmbH betrugen € 412.000,-, der Kaufpreis überstieg daher deren Verbindlichkeiten um € 68.000,-. Der Kläger hält 47,5% an der GmbH und wusste von diesem Kaufvertrag nichts, er hätte diesem auch nicht zugestimmt.

Nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrages fand eine Generalversammlung der GmbH statt, bei der die Zweitbeklagte mit einer weiteren Gesellschafterin den Unternehmenskaufvertrag genehmigten, der Kläger stimmte dagegen und erhob Widerspruch.

Der Kläger begehrt mit Klage gemäß § 41 GmbHG die Nichtigerklärung des Generalversammlungsbeschlusses, mit dem der Unternehmenskaufvertrag genehmigt wurde und mit Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Vollziehung des Generalversammlungsbeschlusses (also die Unterlassung der Unternehmensveräußerung).

Unterinstanzen

Die erste Instanz wies unter Hinweis auf die „Holzmüller-Doktrin“ den Sicherungsantrag ab, weil die Missachtung von gesellschaftsrechtlichen Zustimmungsvorbehalten nichts an der Wirksamkeit der Geschäftsführungsmaßnahme ändere und der Unternehmenskaufvertrag damit wirksam zustande gekommen sei.

Die zweite Instanz Verbot der Erstbeklagten die Vollziehung des Generalversammlungsbeschlusses, insbesondere die Übergabe des Unternehmens, weil der Generalversammlungsbeschluss nicht mit der erforderlichen Mehrheit ergangen sei, stelle doch der Abschluss von Unternehmenskaufverträgen im Sinne des § 238 AktG wie auch die Veräußerung des gesamten Geschäftsbetriebes eine materielle Satzungsänderung dar, die nach § 50 Abs 1 und 3 GmbHG einer Mehrheit von zumindest 75% bedurft hätte, die im konkreten Fall mit 52,5% nicht erreicht wurde. Zur Zweitbeklagten meinte sie, diese sei als Geschäftsführerin der Erstbeklagten nicht befugt gewesen, den Unternehmenskaufvertrag ohne Zustimmung der Generalversammlung abzuschließen. Dem Kläger stehe gegen die Zweitbeklagte eine actio pro socio zu, die auf Unterlassung der Vollziehung des Generalversammlungsbeschlusses gerichtet sei und die durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden könne.

OGH-Entscheidung

Der OGH hält fest, dass die Lehre sich dahingehend einig sei, dass die Veräußerung des gesamten Unternehmens der Zustimmung der Gesellschafter bedürfe. Nicht ganz einheitlich werde die Frage beantwortet, ob ein zustimmender Beschluss der Gesellschafter Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Unternehmenskaufvertrages ist. Von den Befürwortern werde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass es sich faktisch um eine materielle Satzungsänderung handle.

In der Folge erläutert der OGH, dass der Unternehmens-erwerb in Form eines asset deals im Weg der Einzelrechtsnachfolge in der Lehre als Fall des § 237 AktG erwähnt werde. Dieser § 237 AktG regelt im Abs 1, dass eine Übertragung des GANZEN Gesellschaftsvermögens einer AG nur auf Grund eines HV-Beschlusses mit einer Mehrheit von 75% zulässig ist. Nach einem Teil der Lehre, der sich der OGH anschließt, ist eine solche Zustimmung der Hauptversammlung auch erforderlich, wenn ein WESENTLICHER TEIL der Vermögensaktiva einer AG veräußert werden soll.

Im Gegensatz zur Holzmüller-Doktrin ist die Zustimmung der HV nach § 237 Abs 1 AktG Voraussetzung für die Wirksamkeit des Übertragungsvertrages. Im § 237 Abs 1 AktG sei mit „Übertragung“ nicht erst die sachenrechtliche Verfügung, sondern bereits das Verpflichtungsgeschäft, also der Veräußerungsvertrag gemeint.

Das GmbHG kenne keine dem § 237 AktG entsprechende Regelung. Der OGH schließ sich in dieser Entscheidung jenem Teil der Lehre an, die eine analoge Anwendung des § 237 AktG auf die GmbH befürworten.

Gegenständlich wurde das „ganze“ Gesellschaftsvermögen der GmbH auf einen Dritten übertragen. Die Generalversammlung hat diesem Unternehmenskaufvertrag nicht mit (zumindest) Dreiviertelmehrheit zugestimmt, weswegen er unwirksam ist.

Deutschland

Der OGH verweist in dieser Entscheidung auch auf die deutsche Rechtslage (§ 179a Abs 1 dAktG), und die eine analoge Anwendung befürwortende Lehrmeinung in Deutschland. Interessant ist, dass der BGH Anfang 2019, also nach der gegenständlichen Entscheidung entschieden hat, dass § 179a Abs 1 dAktG NICHT analog auf die GmbH anzuwenden sei (II ZR 364/18).

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