Zum Ausmaß der Fürsorgepflicht der Generalunternehmerin

Zum Ausmaß der Fürsorgepflicht der Generalunternehmerin

Die Fürsorgepflicht des Bestellers bezieht sich nur auf seiner Sphäre zuzurechnende Umstände, nicht aber auf die mit dem auszuführenden Werk unmittelbar verbundenen und für den Unternehmer und seine Hilfskräfte nach ihren Fachkenntnissen erkennbare Gefahren.

Die erstbeklagte Partei war bei einem Bauvorhaben als Generalunternehmerin tätig. Der Kläger und der Zweitbeklagte waren Arbeitnehmer der Subunternehmerin. Der Zweitbeklagte bediente als Kranführer einen Kran. Der Kran wies keine Beschädigungen auf und wurde regelmäßig gewartet.

Als ein Lkw mit einer Materiallieferung ankam, erteilte der Polier der erstbeklagten Partei dem Zweitbeklagten die Anweisung, den Lkw erst am Abend abzuladen, weil Arbeiten an der Betonpumpe vorgingen. Als der Zweitbeklagte nichts zu tun hatte, begann er entgegen der Weisung des Poliers mit der Abladetätigkeit. Der Kranarm des Krans schwenkte infolge einer ungenauen Bewegung des Zweitbeklagten nach rechts aus, wodurch er in das Hubseil eines zweiten Krans geriet. Dadurch wurde der auf der Baustelle arbeitende Kläger von dem Schalungsteil getroffen und über eine Absturzsicherung hinweg 15 m in die Tiefe gerissen. Er erlitt schwere, lebensgefährliche Verletzungen.

Der OGH hatte in Folge insbesondere noch zu entscheiden, ob neben dem zweitbeklagten Kranführer auch die Erstbeklagte (und somit die Generalunternehmerin) für den Unfall zu haften hat.

Entscheidung des OGH

Die erstbeklagte Partei treffen gegenüber dem Kläger, der als Arbeitnehmer einer Subunternehmerin auf der Baustelle tätig war, vertragliche Schutzpflichten sowohl aufgrund der Fürsorgepflicht des Werkbestellers (und somit aus dem Subunternehmervertrag), als auch aufgrund der Sorgfaltspflichten des Werkunternehmers (und somit aus dem Generalunternehmervertrag).

Die erstbeklagte Partei hat für eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten nach vertraglichen Grundsätzen einzustehen, wobei sie auch für ihre Erfüllungsgehilfen haftet (RS0017185).

Die aus dem Generalunternehmervertrag zugunsten des Klägers abgeleiteten Schutzpflichten entsprachen im vorliegenden Fall nach Umfang und Intensität jenen der werkvertraglichen Fürsorgepflicht der erstbeklagten Partei aus dem Subunternehmervertrag. Gründe, weshalb der eine Vertrag dem Kläger weitergehenden Schutz bieten sollte als der andere, sind nicht erkennbar, haben doch die Nebenpflichten beider Verträge den Schutz des Lebens und der Gesundheit der begünstigten Personen zum Ziel. Diese Pflichten sind daher inhaltlich ident.

Nach herrschender Auffassung bezieht sich die Fürsorgepflicht des Bestellers nur auf seiner Sphäre zuzurechnende Umstände, nicht aber auf die mit dem auszuführenden Werk unmittelbar verbundenen und für den Unternehmer und seine Hilfskräfte nach ihren Fachkenntnissen erkennbare Gefahren (8 Ob 13/85). Der Besteller muss ein Fachunternehmen daher auch nicht über die in ihrem Tätigkeitsbereich typischerweise auftretenden Gefahren warnen (8 Ob 26/13a).

Den Behauptungen des Klägers lässt sich jedoch nicht entnehmen, zu welchen Sicherheitsmaßnahmen die erstbeklagte Partei im Zusammenhang mit den von der Subunternehmerin zu verrichtenden Werkleistungen verpflichtet gewesen sein soll. Nach den Feststellungen befand sich der von der erstbeklagten Partei zur Verfügung gestellte Kran in einem einwandfreien Zustand. Zum Unfall kam es, weil der Zweitbeklagte mit dem Kran unvorsichtig manövrierte und deshalb mit dem im Schwenkbereich des Auslegers stehenden Kran kollidierte, während der Kläger im unmittelbaren Nahebereich des Krans tätig war.

Damit hat sich ein Risiko verwirklicht, das allein in den Tätigkeitsbereich der Subunternehmerin fällt. Es zählt zu den Fachkenntnissen eines an den Maßstäben des § 1299 ABGB zu messenden Kranführers, dass er auf einer Baustelle, auf der mehrere Kräne im Einsatz sind, eine Kollision mit einem anderen Kran zu vermeiden hat. Die von der Vernachlässigung der dabei gebotenen Sorgfalt ausgehende Gefahr, die mit dem auszuführenden Werk auch unmittelbar verbunden war, war für die erstbeklagte Partei nicht beherrschbar.

Der zum Unfall führende Arbeitsvorgang ist nicht ihrer Sphäre zuzurechnen und war daher von der Fürsorgepflicht der erstbeklagten Partei nicht umfasst. Das gilt ebenso für die identen Schutz- und Sorgfaltspflichten, die sie als Werkunternehmerin trafen. Wurde aber keine vertragliche Schutzpflicht übertreten, kommt auch keine Gehilfenhaftung für ein Fehlverhalten der Subunternehmerin und des Zweitbeklagten in Betracht.

Daraus folgt, dass sich der Kläger nicht erfolgreich auf eine vertragliche Haftung der erstbeklagten Partei stützen kann. Im Übrigen haftet die erstbeklagte Partei auch nicht nach analog anzuwendenden Grundsätzen der Gefährdungshaftung (8 Ob 22/85, RS0029156).

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