Sicherungszweck bei Deckungs- und Haftrücklass

Sicherungszweck bei Deckungs- und Haftrücklass

Grundsätzlich ist nur der Text der Garantieerklärung für die Interpretation maßgeblich. Für eine Abweichung vom eindeutigen Wortsinn der Garantieerklärung bedarf es massiver Anhaltspunkte.

Die Beklagte beauftragte eine Werkunternehmerin mit der Erbringung von Bauleistungen. Im Bauvertrag war vereinbart, dass der Deckungsrücklass mit Fälligkeit der Schluss- bzw Teilschlussrechnung durch den Haftungsrücklass ersetzt werden sollte.

Über Auftrag der Werkunternehmerin übermittelte die Klägerin (=das die Garantie hinauslegende Verrichtungsunternehmen) der Beklagten eine als „Garantie zur Besicherung des Deckungsrücklasses für sämtliche Teilrechnungen“ bezeichnete Bankgarantie.

Nach Legung der Schlussrechnung verblieb ein offener Rechnungsbetrag von ca. 54.000 EUR. Der vereinbarte Haftrücklass von 2 % betrug ca. 66.000 EUR und wurde bei der Schlussrechnung nicht berücksichtigt. Den Differenzbetrag von ca. 11.000 EUR forderte die Beklagte von der Klägerin unter Berufung auf die Garantieerklärung. Die Klägerin zahlte diesen Betrag an die Beklagte aus. Die Klägerin forderte als Garantie hiervon einen Teilbetrag zurück.

Entscheidung des OGH

Im Verhältnis zwischen Garanten und Begünstigtem gilt der Grundsatz der formellen Garantiestrenge. Die Erklärung, dass der Garantiefall eingetreten sei, muss in der Weise und mit dem Inhalt abgegeben werden, wie es die Garantieurkunde umschreibt (RS0016946).

Grundsätzlich ist nur der Text der Garantieerklärung für die Interpretation maßgeblich. Für eine Abweichung vom eindeutigen Wortsinn der Garantieerklärung bedarf es massiver Anhaltspunkte (RS0033002). Einwendungen aus dem Grundgeschäft sind ausgeschlossen. Maßgeblich ist der Inhalt des im zweipersonalen Verhältnis geschlossenen Vertrags (RS0018014).

Diese Grundsätze sind auch für die Frage maßgeblich, ob die zur Sicherung eines Deckungsrücklasses gegebene Garantie auch einen Haftrücklass besichert.

Im vorliegenden Fall ergibt sich sowohl aus der Überschrift der Garantieabrede („Garantie zur Besicherung des Deckungsrücklasses für sämtliche Teilrechnungen“) als auch aus dem darin angeführten Haftungsgrund („Besicherung des Deckungsrücklasses sämtlicher Teilrechnungen hinsichtlich des Bauvorhabens …“), dass sich die Klägerin nur zur Besicherung des Deckungsrücklasses für die Teilrechnungen des Bauvorhabens bereit erklärt hat.

Soweit sich die Beklagte bereits in erster Instanz auf eine Überzahlung berief, so ergibt sich eine solche rechnerisch nur dann, wenn von der Schlussrechnungssumme auch der Haftrücklass in Abzug gebracht wird. Daraus wird ersichtlich, dass der abgerufene Garantiebetrag in Höhe des Saldos tatsächlich der Besicherung des Haftrücklasses dienen sollte.

An einem rechtsmissbräuchlichen Abruf ist im Übrigen nicht zu zweifeln, da die Beklagte selbst vorbrachte, zum Abruf des Saldos deshalb „gezwungen“ gewesen zu sein, weil das Bauunternehmen trotz Aufforderung keine Haftrücklassgarantie beigestellt habe.

Eine zur Besicherung des Deckungsrücklasses gegebene Garantie kann vom Begünstigten nicht einseitig zur Besicherung des Haftrücklasses verwendet werden kann.

In der Praxis muss penibel auf den Wortlaut der Garantie geachtet werden. Selbst wenn im Bauvertrag die übliche Klausel enthalten ist, dass der Deckungsrücklass mit Schlussrechnung in den Haft(ungs)rücklass umgewandelt werden soll, ist diese Vertragsklausel und die Garantieerklärung gesondert zu beurteilen. Eine nur zur Bindung des Deckungsrücklasses vorgesehenen Bau-/Versicherungsgarantie darf ausschließlich für diesen Zweck „gezogen“ werden. Solange keine Haftungsrücklassgarantie vom Auftragnehmer beigebracht wurde, steht dem Auftraggeber nur der Einbehalt des Haftungsrücklasses zur Verfügung.

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