Strenge Wiederherstellungsklausel – Gleichartigkeitsgebot

Strenge Wiederherstellungsklausel – Gleichartigkeitsgebot

Die strenge Wiederherstellungsklausel impliziert ein Gleichartigkeits- und ein Gleichwertigkeitsgebot. Die Wiederherstellungsklausel enthält zwar kein Modernisierungsverbot, die neu angeschafften Sachen müssen aber von gleicher Gesamtgröße, vergleichbarer Zweckbestimmung sowie Art und Güte sein.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein Gletscherskigebiet. Dort wurden am 30. Oktober 2018 zwei Schlepplifte durch den Abgang einer Nassschneelawine derart massiv beschädigt, dass sie nicht weiter betrieben werden konnten. Die Klägerin errichtete im Jahr 2019 anstelle der beiden Schlepplifte eine Funifor-Bahn [Luftseilbahn mit zwei Seilen und einer großen Kabine].

Der VN fordert vom Versicherer die Neuwertentschädigung.

Relevante Bestimmungen der ABS

Zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bestand zwischen den Streitteilen ein Versicherungsvertrag, der eine Versicherung der Seilbahnanlagen beinhaltete. Dem Vertrag lagen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung, Fassung 2014 (ABS14) zugrunde.

Artikel 12 Zahlung der Entschädigung; Wiederherstellung, Wiederbeschaffung;

1. Der Versicherungsnehmer hat vorerst nur Anspruch:

1.1 Bei Gebäuden

1.1.1 bei Zerstörung auf Ersatz des Zeitwertes, höchstens jedoch des Verkehrswertes;

1.1.2 bei Beschädigung auf Ersatz des Zeitwertschadens, höchstens jedoch des Verkehrswertschadens.

1.2 Bei Gebrauchsgegenständen und Betriebseinrichtungen

1.2.1 bei Zerstörung oder Abhandenkommen auf Ersatz des Zeitwertes;

1.2.2 bei Beschädigung auf Ersatz des Zeitwertschadens.

2. Den Anspruch auf den die Zahlung gemäß Punkt 1 übersteigenden Teil der Entschädigung erwirbt der Versicherungsnehmer erst dann und nur insoweit, als folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

2.1 es ist gesichert, dass die Entschädigung zur Gänze zur Wiederherstellung bzw. Wiederbeschaffung verwendet wird. […]

2.2 die Wiederherstellung eines Gebäudes erfolgt an der bisherigen Stelle. Ist die Wiederherstellung an dieser Stelle behördlich verboten, so genügt die Wiederherstellung an anderer Stelle innerhalb Österreichs;

2.3 die wiederhergestellten bzw. wiederbeschafften Sachen dienen dem gleichen Betriebs- bzw. Verwendungszweck;

2.4 die Wiederherstellung bzw. Wiederbe-schaffung erfolgt innerhalb von drei Jahren ab dem Eintritt des Schadenereignisses

OGH-Entscheidung

Art 12 SEC14 und Art 13 in Abschnitt III SBS14 enthalten unstrittig eine sogenannte „strenge Wiederherstellungsklausel“. Ihr Zweck ist die Begrenzung des subjektiven Risikos, das entstünde, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden könnte (RS0120711 [T2, T4]). Die strenge Wiederherstellungsklausel stellt eine Risikobegrenzung dar (RS0081840) und bedeutet, dass zunächst im Versicherungsfall nur ein Anspruch auf den Zeitwert entsteht und der Restanspruch auf den Neuwert von der Wiederherstellung oder deren (fristgerechter) Sicherung abhängt (RS0120710).

Die strenge Wiederherstellungsklausel impliziert ein Gleichartigkeits- und ein Gleichwertigkeitsgebot, sodass Sachen gleicher Zweckbestimmung, Art und Güte wiederhergestellt oder wiederbeschafft werden müssen (RS0117982). Die Wiederherstellungsklausel enthält aber kein Modernisierungsverbot, die neu angeschafften Sachen müssen aber von gleicher Gesamtgröße, vergleichbarer Zweckbestimmung sowie Art und Güte sein (7 Ob 153/06k mwN).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die anstelle der beiden Schlepplifte errichtete Luftseilbahn mit zwei Seilen und einer großen Kabine (Funifor-Bahn) dem Gleichartigkeits- und Gleichwertigkeitsgebot nicht entspricht bedarf keine Korrektur, zumal die neue Bahn in ihrer Art und Gesamtgröße (zB Funifor-Stationen anstelle von Holzhütten) sowie unter Berücksichtigung der Errichtungskosten (maximal 3 Mio EUR für die Schlepplifte im Vergleich zu 13,5 Mio EUR für die Funifohr-Bahn) weit über eine (bloße) Modernisierung der Schleppliftanlagen hinausgeht. Angesichts dieser gravierenden Unterschiede vermag an dieser Beurteilung auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die Zweckbestimmung (Beförderung von Wintersportlern) und die Lifttrasse durch die Neuerrichtung der Seilbahn nicht geändert haben.

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