Verwaltungsstrafverfahren nach Bundes-Mautgesetz – Deckung im Fahrzeug-Straf-Rechtsschutz?

Verwaltungsstrafverfahren nach Bundes-Mautgesetz – Deckung im Fahrzeug-Straf-Rechtsschutz?

Die Bestimmungen des Bundesstraßen-Mautgesetz über die Verpflichtung zur Zahlung einer Maut sind nicht als Verkehrsvorschriften im Sinne der Definition des Fahrzeug-Straf-Rechtsschutz unter Art 17.2.2.1 ARB 2015 zu verstehen.

Sachverhalt

Die Klägerin unterhält eine Rechtsschutzversicherung bei der Beklagten. Gegen den Mitarbeiter der Klägerin sind als Lenker des bei der Beklagten versicherten LKW’s Verwaltungsstrafverfahren anhängig, weil er mehrmals mautpflichtige Straßen benützt haben soll, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Die Beklagte lehnte die angefragte Kostendeckung ab.

Ein weiteres Strafverfahren gegen die Klägerin wegen des Verwaltungsdelikts der Benützung mautpflichtiger Straßen ohne Zahlung der Maut ist zwischenzeitig rechtskräftig abgeschlossen. Die Rechtsvertretung der Klägerin stellte Vertretungskosten in Höhe von 5.783,55 EUR netto, welche die Klägerin bislang nicht bezahlt hat.

Die Klägerin begehrte die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die konkret angeführten noch anhängigen Verwaltungsstrafverfahren und den Ersatz der ihr im bereits rechtskräftig beendeten Verwaltungsstrafverfahren entstandenen Rechtskosten.

Relevante Bestimmungen der ARB

Artikel 17

Schadenersatz-, Straf- und Führerschein-Rechtsschutz für Fahrzeuge (Fahrzeug-Rechtsschutz) je nach Vereinbarung mit oder ohne Fahrzeug-Vertrags-Rechtsschutz […]

2. Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfasst […]

2.2 Straf-Rechtsschutz

für die Verteidigung in Strafverfahren vor Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten wegen eines Verkehrsunfalles oder der Übertretung von Verkehrsvorschriften. Versicherungsschutz besteht bei gerichtlichen Strafverfahren ab Anklage, bei verwaltungsbehördlichen Strafverfahren ab der ersten Verfolgungshandlung. […]

2.2.1 Unter Verkehrsvorschriften sind die im Zusammenhang mit der Haltung und bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeuges geltenden Rechtsnormen zu verstehen. Die Verletzung derartiger Vorschriften fällt abweichend von Artikel 7.5.5 unabhängig von der Verschuldensform unter Versicherungsschutz, wenn sie nicht zum Zwecke der Erzielung eines kommerziellen Vorteils begangen wurde.

OGH-Entscheidung

Der hier interessierende Straf Rechtsschutz nach Art 17.2.2 ARB besteht für die Verteidigung in Strafverfahren vor Gerichten, Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten wegen eines Verkehrsunfalls oder der Übertretung von Verkehrsvorschriften. Als Verkehrsvorschriften werden in Art 17.2.2.1 ARB die im Zusammenhang mit der Haltung und bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs geltenden Rechtsnormen genannt.

Der erkennende Senat geht gleichermaßen davon aus, dass der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer den Begriff Verkehrsvorschriften (verkehrsrechtliche Vorschriften) als jene Vorschriften und Bestimmungen versteht, die den Betrieb von Fahrzeugen und das korrekte Verhalten im Straßenverkehr regeln und beschreiben und somit der Sicherheit und Ordnung im Verkehr dienlich sind.

Nach § 1 Abs 1 BStMG ist für die Benützung der Bundesstraßen mit Kraftfahrzeugen Maut zu entrichten. Eine Grundbedingung für das ordnungsgemäße Funktionieren eines Mautsystems ist die Verhinderung von Mautprellerei. Daher erklärt § 20 BStMG die nicht ordnungsgemäße Entrichtung der zeit- bzw fahrleistungsabhängigen Maut zur Verwaltungsübertretung.

Die Maut nach dem BStMG ist ein nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilendes Entgelt für die Benützung von Straßen. Der Halter ist nur mehr bereit die Benützung von Autobahnen und bestimmten Schnellstraßen gegen Entgelt zu gestatten. Entgelt und Zurverfügungstellung der Verkehrsfläche stehen im Austauschverhältnis. Das Rechtsverhältnis zwischen Benützer und Mautgläubiger ist privatrechtlicher Natur.

Kein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer wird die Bestimmungen der BStMG (Bundesstraßen-Mautgesetz) über die Verpflichtung zur Zahlung einer Maut (privatrechtlichen Entgelt) für die Benützung der Mautstraßen als Vorschriften verstehen, die den Verkehr regeln und beschreiben oder sonst der Sicherheit und Ordnung im Verkehr dienen, und damit als Verkehrsvorschriften, sondern vielmehr als verkehrswirtschaftliche Regelung.

Die vorliegenden Bedingungen sind zwar dadurch gekennzeichnet, dass sie eine eigenständige Definition der Verkehrsvorschriften enthalten, nämlich im Zusammenhang mit der Haltung und bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs geltenden Rechtsnormen. Auch die Zugrundelegung dieser Definition bringt aber kein anderes Ergebnis: Der durchschnittliche verständige Versicherungsnehmer versteht Bestimmungen über die Zahlung eines privatrechtlichen Entgelts für die Benützung bestimmter Straßen, als solche, die das Recht zur privatrechtlichen Nutzung, nicht aber die Art der verkehrsrechtlichen Verwendung regeln.

Davon ausgehend sah der OGH die primäre Risikoumschreibung des Art 17.2.2 ARB als nicht erfüllt an.

 

Beitrag von Julia Loisl.

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