Einsichtsrecht nach Löschung einer GmbH

Einsichtsrecht nach Löschung einer GmbH

Dem Gläubiger einer GmbH steht auch nach Löschung der GmbH aus dem Firmenbuch ein auch zeitlich uneingeschränktes Einsichtsrecht in die Bücher zu.

A war alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer einer im Jahr 2004 gegründeten GmbH. Im Jahr 2017 wurde das Liquidationsverfahren eingeleitet und 2018 wurde die GmbH nach beendeter Liquidation aus dem Firmenbuch gelöscht. B hatte A im Jahr 2013 mit Fassadenarbeiten beauftragt, die mangelhaft ausgeführt wurden. Laut B seien Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche offen. Deshalb beantragt B als Gläubiger der Gesellschafter nun Buchsicht gemäß § 93 Abs 4 GmbHG. A erkennt den Anspruch auf Bucheinsicht an, allerdings nur für die Zeit des Liquidationsverfahrens. Die Ansprüche des B würden sich, wenn dann, aus einer nicht ordnungsgemäßen Liquidation bzw. Nicht-Verständigung des B darüber ergeben. Der Zeitraum vor 2017 habe nichts damit zu tun.

Das Erstgericht gibt dem Antragsbegehren dennoch zur Gänze statt, nämlich auch ohne zeitliche Einschränkung. Es verweist auf das bisher einzige Judikat zum Einsichtsrecht der Gläubiger (6 Ob 314/03z), wonach dieses ein unbeschränktes Recht ist.

Das Rekursgericht ändert den Beschluss hingegen in teilweise Abkehr von 6 Ob 314/03z ab und gewährt Bucheinsicht nur bis zum Jahr 2013 zurück. Es bestehe kein Grund für die Einsicht in Unterlagen, die sich auf den Zeitraum vor Beauftragung der Fassadenarbeiten bezögen. 6 Ob 314/03z habe den Fall betroffen, in dem zwischen Firmengründung und Beginn der Liquidation weniger als ein Jahr gelegen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber mit § 93 Abs 4 GmbHG ein mehr als ein Jahrzehnt zurückreichendes Einsichtsrecht gewähren wollte. Dies ergebe sich auch aus § 93 Abs 3 GmbHG, wonach nach Liquidation eine Aufbewahrungspflicht für Geschäftsunterlagen nur für sieben Jahre bestehe.

Der OGH stellte überraschenderweise den Beschluss des Erstgerichtes wieder her. Er bestätigte, dass das in § 93 Abs 4 2. Satz GmbHG normierte Bucheinsichtsrecht grundsätzlich unbeschränkt ist und verweist auf die bereits ergangene Rechtsprechung (6 Ob 314/03z). Auch eine einzelne Entscheidung, zu der keine gegenteiligen Entscheidungen bzw. Kritiken vorliegen, könne eine gesicherte Rechtsprechung sein. Aus der 7-jährigen Aufbewahrungsfrist könne nicht geschlossen werden, dass die Einsichtnahme in ältere Unterlagen, sofern vorhanden, nicht möglich sein soll. Zweck des Einsichtsrecht sei, Gläubigerinformationen über trotz Löschung des Unternehmens vorhandenes Vermögen zu ermöglichen. Ein entsprechender Hinweis könnte sich aus älteren Unterlagen ergeben.

Diese Entscheidung wird von Feltl durchaus nachvollziehbar kritisiert (GesRZ 2020, 61). Der in 6 Ob 314/03z enthaltene lapidare Ausspruch, das Einsichtsrecht sei unbeschränkt, habe sich auf inhaltliche, nicht auf zeitliche Komponenten bezogen. Die systematische Auslegung von § 93 Abs 4 GmbHG iVm § 93 Abs 3 GmbHG ergebe, dass ein mehr als 7-jähriges Einsichtsrecht vom Gesetzgeber nicht gewollt sei. Auch für den Zeitraum vor der Liquidation sieht § 212 UGB nur eine 7-jährige Aufbewahrungspflicht vor. Ein subjektives Recht ohne entsprechende Pflicht sei rechtslogisch nicht denkbar.

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