Man muss nicht allem zustimmen – auch herannahendem Wohnungsbau nicht!

Man muss nicht allem zustimmen – auch herannahendem Wohnungsbau nicht!

Die Verweigerung der Zustimmung zu einem Antrag auf Änderung der Bauplatzerklärung ist nicht rechtsmissbräuchlich, solange die Motive für die Weigerung lauter sind. Hierzu zählen auch bereits drohende Nachteile.

Die Klägerin plante einen desolaten Schlachthof abzutragen und stattdessen eine Wohnhausanlage zu errichten. Dieses Projekt reichte die Klägerin bei der Gemeinde ein, die die Änderung des bisherigen Bebauungsplanes bewilligte.

Auf einem der angrenzenden Grundstücke befand sich ein Kleinkraftwerk, dass von der Beklagten betrieben wurde. Die Beklagte hatte Bedenken gegen das Projekt der Klägerin, insbesondere aufgrund der Zufahrt zum Kraftwerk, den Rohrleitungen sowie befürchteten Einwänden der einziehenden Bewohner gegen den Lärm und Erschütterungen, die durch das Kraftwerk verursacht wurden. Daher verweigerte die Beklagte die Zustimmung und forderte unter anderem eine Zufahrt – im Wege einer Grundabtretung – sowie eine „vernünftige“ Abstandsregelung von zumindest einem Meter.

Die Klägerin versuchte der Beklagten entgegenzukommen und bot an, einen Dienstbarkeitsvertrag abzuschließen, der sie zur Duldung des Kraftwerks und zur Setzung von baulichen Schutzmaßnahmen verpflichten solle. Weiters war sie bereit, die Beklagte hinsichtlich allfälliger Ansprüche der zukünftigen Bewohner schad- und klaglos zu halten. Lediglich eine Grundabtretung wollte die Klägerin nicht.

Mangels Einigung begehrte die klagende Immobilienerrichterin, die beklagte Kraftwerksbetreiberin möge zur Änderung des Bauplatzes vor der Baubehörde verpflichtet werden, da ihr durch die Änderung keine Nachteile entstehen würden. Ihre Weigerung sei schikanös und sittenwidrig. Weiters sei die Einhaltung von Mindestabständen nicht Gegenstand des Bauplatzerklärungsverfahrens. Die Beklagte beharrte auf ihrem Abwehrrecht gegen heranrückende Wohnbebauung. Sie bestand darauf, dass ihr die Zufahrtsfläche zum Kraftwerk gegen angemessenes Entgelt übertragen werde. Denn dieser Bereich dürfe nicht verparkt werden und ein Servitut könne dies nicht ausreichend sicherstellen.

Erst- und Zweitinstanz

Das Erstgericht folgte dem Begehren der klagenden Partei und nahm ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen der Klägerin zu jenen der Beklagten an. Durch ihre Weigerung könne die Klägerin niemals die Bauplatzerklärung ändern, die Beklagte hätte allerdings mehrere Möglichkeiten, ihre Forderungen durchzusetzen. Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Grund hierfür war, dass die Weigerung der Beklagten weder rechtsmissbräuchlich noch schikanös sei. Die ordentliche Revision lies das Berufungsgericht zu.

OGH

Der OGH sah diese Rechtsfrage allerdings nicht als präjudiziell an und wies die Revision zurück. Inhaltlich äußerte sich der OGH zur Thematik.

Kein Rechtsmissbrauch

Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet. Aber auch, wenn die verfolgten Interessen im krassen Missverhältnis zu den beeinträchtigten Interessen stehen, sprich das unlautere Motiv der Rechtsausübung überwiegt (RS0026265, RS0025230, RS0026271). Die Beweislast trifft dabei den sich darauf Berufenden. Hervorzuheben ist, dass selbst geringe Zweifel am Vorliegen von Rechtsmissbrauch ausschlaggebend sind, denn grundsätzlich soll derjenige, der an sich einen Rechtsanspruch hat, dieser auch zugestanden werden (RS0025230, RS0026271).

Im gegenständlichen Fall verweigerte die Beklagte die Zustimmung weder aus Schädigungsabsicht oder mit dem Motiv, sich damit widerrechtliche Vorteile zum Nachteil der Klägerin zu erlangen. Das bloße Ziel, den ungestörten Betrieb eines Kraftwerks beizubehalten bzw. die Rohrleitung sowie die Zufahrt zu gewährleisten, ist nicht unlauter.

Ob das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig anzusehen ist, beurteilte der OGH nicht, da das Berufungsgericht dies nicht feststellte und dabei nicht gegen seinen Ermessensspielraum verstoßen hatte.

Hinweis für die Praxis

Für die Praxis ist festzuhalten, dass nicht jede nachbarrechtliche Zustimmung gerichtlich erzwungen werden kann. Solange die Weigerung aufgrund lauterer Motive – seien diese auch nur drohend – basiert, ist eine Weigerung nicht rechtsmissbräuchlich.

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