Eine Warnpflichtverletzung kann eine Solidarhaftung auslösen

Eine Warnpflichtverletzung kann eine Solidarhaftung auslösen

Nebeneinander beauftragte Unternehmen haben aufgrund ihrer Kooperationspflicht alles zu vermeiden, wodurch das Gelingen des Werkes vereitelt werden könnte. Davon umfasst sind auch gegenseitige Warn-, Aufklärungs- und Kontrollpflichten. Eine Verletzung dieser Pflichten kann – für den Fall, dass der Schaden nicht anteilig bestimmbar ist – zu einer Solidarhaftung nach § 1302 ABGB führen.

Die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin beauftragte die Erstbeklagte mit umfangreichen Ingenieurleistungen für die Erweiterung einer Beschneiungsanlage (Planungs- und Bauausführung und ÖBA). Außerdem beauftragte die Klägerin die Zweitbeklagte mit Erd- und Baumeisterarbeiten für die Errichtung eines Speicherbeckens.

Nach Errichtung des Speicherbeckens für die Anlage stellte sich heraus, dass mehrmals von den bewilligten Planunterlagen abgewichen wurde. Die Klägerin begehrte den Ersatz der Sanierungskosten von den Beklagten. Manche Kosten konnte die Klägerin den einzelnen Beklagten zuordnen und manche nicht, wofür sie die solidarische Haftung beider beklagten Parteien begehrte. Die Beklagten gaben an, das Werk mangelfrei errichtet zu haben und, dass die Änderungen auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin durchgeführt wurden.

Das Erstgericht erkannte beide Beklagte zur Zahlung eines jeweiligen Anteils der Kosten für schuldig und traf die Feststellung, dass beide Beklagten für weitere Schäden aus der nicht ordnungsgemäßen Errichtung haften sollen. Das Begehren auf Solidarhaftung beider Beklagten wies das Erstgericht ab. Die Beklagten hätten ihrer Warnpflicht nicht entsprochen und außerdem ihre Leistungen nicht (zur Gänze) ordnungsgemäß erbracht. Die Beklagten hafteten aber nicht solidarisch nach § 1302 ABGB, sondern anteilig, weil sich ihre Anteile am Gesamtschaden (Sanierungsaufwand) bestimmen ließen.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen teilweise Folge. Hinsichtlich der Abweisung der geforderten Solidarhaftung hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die von den bewilligten Plänen abweichende Bauführung sei zwar auf Wunsch der Klägerin erfolgt, allerdings stehe bisher nicht fest, wie diese Anordnungen von den beiden Beklagten konkret umgesetzt worden seien. Dies sei aber für die Beurteilung der Frage der Warnpflichtverletzung von maßgeblicher Bedeutung. Ein Mitverschulden der Klägerin liege nach dem Sachverhalt nicht vor.

Gegen den Zurückverweisungsbeschluss wendete sich die Klägerin und beantragt in ihrem Rekurs, dass die Zweitbeklagte auch zur Zahlung sowie zur Haftung für künftige Schadensfolgen solidarisch mit der Erstbeklagten verpflichtet werde.

Der OGH folgte dem Begehren der Klägerin nicht. Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0021880) trifft mehrere zur Herstellung desselben Werks bestellte Unternehmer, auch wenn keiner von ihnen zum Generalunternehmer bestellt wurde, die Pflicht, alles zu vermeiden, was das Gelingen des Werks vereiteln könnte („technischer Schulterschluss“; RS0021634 [T1]).

Die Rechtsprechung zum „technischen Schulterschluss“ ist auch im Zusammenhang mit Schutz- und Sorgfaltspflichten (im Rahmen einer Kooperationsverpflichtung) mehrerer auf einer Baustelle tätiger Unternehmen anzuwenden und umfasst auch Warnpflichten oder gegenseitige Aufklärungs- und Kontrollpflichten (RS0021634 [T6] = RS0021880 [T7]).

Zur Sphäre des Werkbestellers gehören gemäß § 1168a ABGB auch die von ihm erteilten Anweisungen (RS0021934). Was unter Anweisung zu verstehen ist, lässt sich schwer allgemein bestimmen. Eine Anweisung im Sinn des § 1168a ABGB ist noch nicht jeder Wunsch des Bestellers, wohl aber liegt sie vor, wenn der Besteller dem Unternehmer nicht nur das eigene Ziel, nämlich das herzustellende Werk vorgibt, sondern wenn er auch die Art der Durchführung in der einen oder anderen Richtung konkret und verbindlich vorschreibt (RS0022214; vgl auch RS0022239). Eine Warnung im Sinn des § 1168a ABGB muss erkennen lassen, dass die Anweisung des Bestellers das Misslingen des Werks zur Folge haben könnte (RS0022158 [T1]). Unterlässt der Unternehmer die Warnung des Bestellers, so verliert er nicht nur den Anspruch auf Entgelt, sondern hat auch den weitergehenden Schaden zu ersetzen (RS0022124).

Jeder Vertragspartner hat sich daher so zu verhalten, wie es der andere in der gegebenen Situation mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck, die besondere Art der Leistung und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens erwarten darf, um den Vertragszweck zu erleichtern und um einen allfälligen Schaden zu verhindern (RS0018232 [T2]).

Es trifft also bei gemeinsamer Herstellung eines Werks jeden Unternehmer die Pflicht, alles zu vermeiden, was dessen Gelingen vereiteln könnte. Aufgrund des im Bauwesen typischen Zusammenwirkens von Bauherrn, bauausführenden Unternehmen und Sonderfachleuten besteht dort die regelmäßige Nebenpflicht zur Kooperation zwischen Werkbesteller und ausführenden Werkunternehmern mit gegenseitigen Aufklärungs-, Warn- und Kontrollpflichten (3 Ob 49/18d; 7 Ob 152/16b je mwN).

Hinsichtlich der Solidarhaftung nach § 1302 ABGB folgt der OGH der ständigen Rechtsprechung, wonach diese nur zur Anwendung kommt, wenn sich die Anteile am Schaden nicht bestimmen lassen. Ein Anteil an der Schadenszufügung ist dann bestimmbar, wenn nachgewiesen wird, dass ein Schädiger in zurechenbarer Weise nur einen bestimmten Teil des Gesamtschadens verursacht hat (RS0026615).

Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass die Zweitbeklagte für die Herstellung des von der Klägerin geforderten größtmöglichen Speichervolumens die Baumaßnahmen abweichend zu den Plänen durchführten. Über technische und rechtliche Folgen dieser Vorgangsweise erhielt die Klägerin von beiden Beklagten keine Informationen. Daher war unzweifelhaft die Warnpflicht der Zweitbeklagten verletzt. Die konkreten Auswirkungen und der Umfang der daraus resultierenden Haftung der Zweitbeklagten lässt sich jedoch auf der Basis der bisherigen Feststellungen noch nicht beurteilen.

Die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung, dem Erstgericht die Verfahrensergänzung aufzutragen, war daher zutreffend.

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