Anscheinsvollmacht des Bauleiters für Beauftragung von Zusatzaufträgen – Schlussrechnungsvorbehalt kann auch mündlich begründet werden

Anscheinsvollmacht des Bauleiters für Beauftragung von Zusatzaufträgen – Schlussrechnungsvorbehalt kann auch mündlich begründet werden

Um Vertretungsmacht begründen zu können, muss ein „äußerer Tatbestand“ die Grundla-ge für die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht bieten und vom Vertretenen selbst geschaffen sein. Ob ein Auftragnehmer einen ausreichenden Vorbehalt nach Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 („Schlussrechnungsvorbehalt“) erhoben hat, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

Die Klägerin erbrachte für die Beklagte Baumeisterarbeiten. Sie begehrte die Zahlung des restlichen Werklohns aus der Schlussrechnung und brachte vor, dass die von ihr abgerechneten Zusatzleistungen notwendige Änderungen und Zusätze im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben betreffen und vom Bauleiter der Beklagten beauftragt worden seien.

Die Beklagte wandte ein, dass die Zusatzleistungen nicht wirksam beauftragt worden seien. Die von der Beklagten vorgenommene Schlusszahlung sei von der Klägerin vorbehaltlos akzeptiert worden. Die Klägerin habe auch keinen gegründeten Vorbehalt nach Pkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 innerhalb der dreimonatigen Frist erhoben.

Zur Anscheinsvollmacht des Bauleiters für Zusatzaufträge

Um Vertretungsmacht iSd § 1029 ABGB begründen zu können, muss ein durch das Verhalten des Geschäftsherrn zurechenbar veranlasster bestimmter Sachverhalt vorliegen, der objektiv dazu geeignet ist, beim Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RS0020145 [T16]). Ob die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vorliegen, richtet sich nach den Umständen des jeweils zu beurteilenden Falls und begründet keine erhebliche Rechtsfrage (RS0020145 [T15, T17]).

Da der Bauleiter der Klägerin während des gesamten Bauvorhabens einziger Ansprechpartner der Klägerin blieb,  Änderungen und Nachtragsarbeiten von der Klägerin schriftlich dokumentiert und (nur) dem Bauleiter per Mail kommuniziert wurden, weiters allfällige Vollmachtsüberschreitungen des Bauleiters der Klägerin auch zu diesem Zeitpunkt nicht kommuniziert wurden und der Bauleiter auch an den Besprechungen über die beanstandete Schlussrechnung teilnahm, war nach Ansicht des OGH von einer Anscheinsvollmacht der Bauleiters auszugehen. Dass das Berufungsgericht von dessen Vollmacht kraft äußeren Tatbestands ausgingt, ist nach Lage des Falles nicht korrekturbedürftig.

Zum Einspruch gegen die Korrektur der Schlussrechnung

Nachträgliche Forderungen sind nach Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 ausgeschlossen, wenn weder ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist noch ein solcher binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich mit Begründung erhoben wird. Die Frage, ob der Auftragnehmer bzw Werkunternehmer einen ausreichenden Vorbehalt im Sinn der genannten Bestimmung erhoben hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 209/11b; 10 Ob 65/12z; 9 Ob 81/14y). Durch eine schriftliche Erklärung, dass der Werkunternehmer „die Abstriche beeinspruche“ und dass „die Korrekturen falsch seien“, wird in der Regel noch kein begründeter Vorbehalt abgegeben (8 Ob 109/04v).

Die Beklagte legte der Klägerin das Korrekturblatt zur Schlussrechnung mit der handschriftlich korrigierten Schlussrechnung vor. Die Klägerin teilte mit, dass die Rechnungskorrektur zur Schlussrechnung aufgrund der fehlenden Unterlagen weder prüfbar noch nachvollziehbar sei und die getätigten Abstriche nicht akzeptiert würden. Die Beklagte überwies den von ihr korrigierten Schlussrechnungsbetrag. Eine Woche später teilte die Klägerin der Beklagten schriftlich mit, den getätigten Abzug nicht anzuerkennen und diesen nachzufordern. In einer Besprechung zur Abklärung wurde anhand einer Liste festgelegt, welche Positionen von der Beklagten (durch ihren Bauleiter) anerkannt wurden, abzuklären verblieben oder einvernehmlich nicht verrechnet werden sollten. Die Liste enthielt jeweils eine Erklärung der Klägerin für die Nichtakzeptanz der Abstriche. Der Vorbehalt wurde somit von der Klägerin auch begründet und die Revision der Beklagten war somit zurückzuweisen.

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