Lärm durch Spielplatz ist zu dulden!

Lärm durch Spielplatz ist zu dulden!

Anrainer klagen eine Gemeinde, die einen Spielplatz in der unmittelbaren Umgebung ihrer Liegenschaft errichtete. Grund: Die von dieser Freizeitanlage ausgehende Lärmbelästigung sei nicht tragbar. Der Lärm erreicht allerdings nicht das notwendige Ausmaß, welches die Gemeinde zur Unterlassung verpflichten würde.

Die Kläger und die beklagte Gemeinde sind Nachbarn. Die Kläger begehrten die Unterlassung der Lärmbeeinträchtigung der ihnen gehörende Liegenschaft (Geräuschpegel von über 55 dB(a)). Der Lärm ginge von einem Spielplatz aus, der sich auf der benachbarten Liegenschaft der Beklagten befindet und erst nach dem Zuzug der Kläger errichtet wurde.

Sowohl Erst- als auch Berufungsgericht wiesen das Unterlassungsbegehren der klagenden Parteien ab. Das Berufungsgericht ließ aber die Revision zum OGH zu, weil zur Frage, ob Anrainern gegen eine durch einen nachträglich errichteten großen Spielplatz entstandene dauerhaft vorhandene Geräuschkulisse ein nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch zustehe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Die gegen das Berufungsurteil erhobenen Revision der Kläger wurde allerdings mangels erheblicher Rechtsfrage vom OGH mit Beschluss zurückgewiesen.

Dazu führte der OGH aus, dass die völlig allgemein gehaltene Zulassungsfrage nach den in der Rechtsprechung geklärten Rechtsgrundsätzen zu § 364 Abs 2 ABGB zu beantworten sei. Ein nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch kommt nämlich auch bei einem nachträglich errichteten Spielplatz bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen in Betracht (vgl dazu auch 4 Ob 242/22z).

Gemäß § 364 Abs 2 ABGB sind Immissionen (z.B. Gerüche, Geräusche, Wärme, Rauch, etc.) dann unzulässig, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.

Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, weshalb (i) auch übermäßige Immissionen zu dulden sind, wenn sie die ortsübliche Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch, (ii) wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (RS0010587 [T4]; 1 Ob 62/20d). Wie das ortsübliche Ausmaß der Immissionen ermittelt wird, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls, wie die Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung (RS0014685; RS0010558).

Flächenwidmungspläne und damit auch sich darauf beziehende Lärmpegelrichtwerte haben im Rahmen der Beurteilung nach § 364 Abs 2 ABGB eine Indizfunktion für die im betreffenden Raum tatsächlich bestehenden Verhältnisse (vgl 1 Ob 62/20d).

Für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung ist nach der Rechtsprechung nicht nur die objektiv messbare Lautstärke (im Sinn der Erhöhung des Grundgeräuschpegels), sondern auch die subjektive Lästigkeit maßgebend, wobei auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Gestörten abzustellen ist (RS0010607; 3 Ob 70/22y). Für die Lästigkeit sind vor allem die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche entscheidend (RS0010557; RS0010607; 3 Ob 54/22w; 3 Ob 70/22y).

Fest steht, dass die dauerhaft vorhandene – den Widmungsrichtwert aber nicht übersteigende – Geräuschkulisse nur bei hoher Besucherfrequenz vor allem an gemäßigt warmen Tagen im Frühling und Herbst innerhalb der Öffnungszeiten des Spielplatzes besteht. Die existierenden deutlich wahrnehmbaren Schallspitzen sind kurzfristige Einzelereignisse, die immer wieder auch außerhalb des Spielplatzbetriebs erreicht werden.

Ausgehend von der ermittelten Sachverhaltsgrundlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Lärmimmissionen nicht derart substantiell über dem sonst in der Umgebung vorhandenen Lärmpegel liegen, dass von einer Überschreitung des ortsüblichen Ausmaßes oder einer wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks der Kläger gesprochen werden könne, laut OGH zutreffend. Ein Unterlassungsanspruch der Kläger besteht damit nicht.

Praxishinweis: Tatsächlich oder vermeintlich unzulässige Lärmimmissionen kommen in der baurechtlichen Praxis immer wieder vor. Typischerweise aber erst, wenn Wohnungen schon errichtet und von den Mietern oder Eigentümern bezogen sind. Dass es dabei häufig nicht darauf ankommt, was früher „da war“ (die Wohnung/das Haus versus die Lärmquelle) zeigt die Entscheidung klar auf.

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